Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Felsenverwandeltes Schloß

              Es war einmal im Frankenland
Ein Ritter Feigherz wohl bekannt,
Bei Weibern gar ein großer Held,
Bei Männern gab er Fersengeld.

Der schwelgte flott auf seiner Burg
Beraubter Pilger Habe durch,
Doch nur die Schwachen raubt' er aus,
Die Starken schickten ihn nach Haus.

Ein Töchterlein, so schön als jung,
Ermahnt' ihn oft zur Besserung,
Doch wie die Gute warnt und fleht,
Der alte Sünder widersteht.

Einst zog er nachts mit seinem Troß
Zu rauben auf ein nahes Schloß;
Dem Tapfern drohte kein Gefahr,
Weil niemand dort zu Hause war.

Da ward geplündert schlecht und recht,
Der ganze Keller ausgezecht;
Es dämmerte der Morgen schon,
Da schlich die Ritterschaft davon!

Und als der Burgherr kam nach Haus,
Wie sah's in seinem Schlößchen aus!
Die Speisekammern ausgeleert
Und Küch' und Keller ausgekehrt.

»Ha, Nachbar, Schuft! Das sieht dir gleich;
Doch sei's dein letzter Schurkenstreich,
Du sollst mir baß mit deinem Blut
Bezahlen mein gestohlen Gut!«

Zur Stunde brach mit starkem Hauf
Der zornentbrannte Ritter auf
Und stellte rings um Feiglings Schloß
Zur Schlacht geordnet Mann und Roß.

Das sah mit Grusen und mit Graus
Der Held von seinem Fenster aus;
Verzweifelt rannt' er hin und her,
Ob nirgends ein Entkommen wär'.

»O weh mir Armen, Schmach und Tod!
Wer rettet mich aus solcher Not?
Mein Hab' und Eigen werde sein
Und meine Tochter obendrein!«

Er ruft's. Da kracht des Hofes Raum,
Und aus der Erde wie ein Baum
Erhebt ein ungeheurer Mohr
Mit Feueraugen sich empor.

»Ich bin zu helfen dir bereit!
Noch eh' der Hahn des Morgens schreit,
Soll eine Mauer hoch und fest
Sich türmen um dein Felsennest.

Doch Hab' und Gut und alles hier,
Was du versprachest, laß ich dir;
Nur deine Tochter, schön und jung,
Sei meines Lohnes Forderung.«

»Es sei!« versetzt der Rittersmann.
»Doch die Bedingung stell' ich dann,
Daß mit des Hahnen erstem Schrei
Die Mauer rundum fertig sei.«

Darauf verschwand der Goliath,
Und als die Dämmerung genaht,
Begann ein unsichtbares Baun,
Ein Pochen, Hämmern, Steinehaun.

Der Ritter hört's mit schlechtem Mut,
Es gilt sein allerbestes Gut:
Sein Kind, sein Schatz und Edelstein.
Es soll des Teufels eigen sein,

Und wie der Arme seufzt und zagt
Und seine Not dem Himmel klagt,
Da tritt ein alter Knecht herein
Und heißt ihn frohen Mutes sein.

»Dem Himmel Dank! Ich weiß Euch Rat:
Es führt ein unbekannter Pfad
Aus dieser Burg; nun folgt geschwind,
So rett' ich Euch und Euer Kind.«

Da ging es fort in wilder Hast,
Bis man im Freien machte Rast;
Die Nacht entwich, des Morgens Grau
Enthüllte bald den Wunderbau.

Vollendet stand die Riesenwehr,
Nur wenig Steinchen fehlten mehr;
Das sah des Ritters Knecht und schrie
Aus vollem Hals: »Kikeriki!

Kikeriki!« – da dröhnt ein Schlag –
Von allen Bergen dröhnt es nach;
Zusammen stürzt in jähem Fall
Der ungeheure Mauerwall.

Und bleich vor Schrecken sehn die drei
Sich bald von Feind und Teufel frei
Und preisen Gott, zu Dank gerührt,
Der sie des Bösen Macht entführt.

Und kommst du einst an jenen Ort
Noch ragen Riesenfelsen dort
Empor und künden deinem Blick
Der Höllenmauer Mißgeschick.

 


 


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