Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Richardis von Ebersberg

Es geschah um das Jahr 1012, als Graf Ulrich von Sempt mit seiner Gemahlin Richardis auf einer Burg unweit Ebersberg wohnte, daß die fromme Gräfin alltäglich frühmorgens nach dem Kirchlein zu Ebersberg wandelte, um Gott zu dienen und die heilige Messe zu hören. Sie versäumte keinen Tag in diesem frommen Beginnen und ließ sich auch durch Regen oder Schneegestöber nicht davon abhalten.

Einmal ging sie frühmorgens ganz allein ihres Weges durch den einsamen Wald dem geliebten Kirchlein zu. Stille war ringsumher, kein Rauschen des Laubes war vernehmbar, selbst die Vöglein ließen kaum vereinzelte Morgengrüße ertönen. Da schlug auf einmal ein ungewisses Summen wie von fernem Glockenklang an ihr Ohr. Sie blieb stehen und lauschte – es war die wohlbekannte Stimme des Glöckleins von Ebersberg, das ihr deutlich zurief, daß sie nun heute zu spät kommen werde. Da entfiel ihr vor Betrübnis ein Handschuh, den hatte im nächsten Augenblick eine Elster im Schnabel und flog damit durch die Lüfte. Richardis eilte jedoch des Weges weiter, um wenigstens dem Schluß der heiligen Opferung beizuwohnen.

In dem Augenblick aber, als der Priester zu Ebersberg den Altar betreten wollte, flog die Elster mit dem Handschuh zur Tür herein und legte ihn ohne Scheu auf dem Altar nieder. Niemand wußte sich das zu deuten, bis man den Handschuh der edlen Gräfin von Sempt erkannte und daraus schloß, daß sie noch unterwegs sei. So hielt denn der Priester mit der heiligen Handlung ein, bis Richardis erschienen war. – Das Bild der Elster am heiligen Ort gibt noch zur Stunde der im Volk lebenden Sage Zeugnis.

 


 


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