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Emile Zola

Emile Zola ist geboren zu Paris 1840 als Sohn eines italienischen Ingenieurs. Seine Jugend verbrachte er in Italien. Erst 1858 kam er in das Lycée St.-Louis in Paris, wo er seine erste Bildung genoß. Bald mußte er jedoch seine Studien materieller Schwierigkeiten wegen aufgeben und eine Stellung suchen, die er denn bei dem Buchhändler Hachette auch bald fand. Schon damals beschäftigten ihn literarische Pläne. Nachdem in kleinen Zeitungen seine ersten Romane erschienen waren, fand er für die »Erzählungen für Ninon« in Paris einen Verleger. Dieses Buch sowohl wie die beiden folgenden, »Claudes Beichte« und »Therese Raquin«, erregten Aufsehen und waren für die Richtung des Verfassers und sein künstlerisches Evangelium bereits bezeichnend. Noch intensiver vertrat er seinen Standpunkt in dem folgenden Roman »Madelaine Férat«, der sozusagen als Stimmungsakkord zu seiner großen Romanserie »Les Rougon-Maquart« zu betrachten ist. – Im allgemeinen war Zolas Leben ganz der Literatur gewidmet. Obgleich von Erfolg zu Erfolg fortschreitend, blieb er ein zurückgezogener, im Kreise seiner Freunde lebender Mann, der nur einmal vor das große Tribunal der politischen Öffentlichkeit trat – in der bekannten Dreyfus-Affaire. Neben seiner ausgedehnten dichterischen Tätigkeit trat er auch als Kritiker und Literaturästhetiker hervor, um auf diese Weise auch theoretisch für seine künstlerischen Überzeugungen zu kämpfen. Nach Vollendung der zwanzig Bände von »Les Rougon-Maquart« begann er mit der Trilogie seiner Städteromane (»Lourdes«, »Rom«, »Paris«). Mit seinen letzten Arbeiten, »La fécondité«, »Le travail« usw., verfolgte er ähnliche Tendenzen. Er starb zu Paris 1902.

Schon bei Balzac war in seinen Grundzügen jene Linie vorherrschend, die der Romanliteratur Frankreichs, ja, man kann sagen ganz Europas, vorbildlich werden sollte. Aber er war nicht Systematiker, nicht Evangelist genug, um seine Instinkte zum allgemeinen künstlerischen Bewußtsein zu entwickeln. Er blieb auf einer unebenen Bahn, selbst dort, wo die breitere, sorgfältig gepflegte Straße einer überlegenen Technik der beste und auch nächste Weg war. Bei ihm ist alles Temperament, alles Anlage. Was Balzac verspricht, erfüllt Zola, der ihm an Genie ebenbürtig, an künstlerischem und menschlichem Ernst überlegen ist. Er verstand es, die Signatur des Zeitempfindens herauszufühlen wie kein anderer, er war der Zukunftsapostel κατ εξοχην und er wußte auch, daß seiner Zeit mit Andeutungen nicht gedient sei. Das Christentum, selbst jenes, das Tolstoi seinem Osten so nahe legte, war doch nur Religion; der Westen mit seinen sozialen Erlebnissen, mit seiner französischen Revolution wollte Kultus der Vernunft als Grundlage der Weltanschauung sowohl wie der Kunst. – Vernunft alias Wissenschaft! – Man verlangte Psychologie, aber weder mit der romantischen Schellenkappe angetan, noch auch rousseauisch stilisiert; nicht so eigentümlich nackt, d. h. mit den Schwimmhosen eines billigen Optimismus angetan, nein, reine splitternackte, grausame Psychologie wollte man, die an nichts vorüberging, und die, wo sie nicht objektiv sein konnte, doch wenigstens ehrlich blieb. Schon in »Madelaine Férat« wurden Prinzipien deutlich, die ihm einerseits den Vorwurf der Tendenzmacherei eintrugen, andererseits zu jenem Einfluß verhalfen, der seine Stellung in der Weltliteratur ausmacht. – Vererbung als Fatum! Über diesen Grundgedanken seiner »Rougon-Maquart«, der überhaupt der Grundgedanke seiner ganzen Produktion ist, spricht sich Zola selbst im ersten Bande der Romanfolge aus. Die erbliche Belastung, die sich in den »Rougon-Maquart« als absolute Zügellosigkeit der Begierden darstellt, faßt er als physiologische Tatsache auf, als Folge bestimmter Zufälle, die das Blut und Nervenleben in einer gewissen Richtung beeinflußt haben. Es entwickeln sich Keime von seelischen Defekten, und als ihre Reflexe sind eben jene Triebe und Leidenschaften anzusehen, die ein ganzes Geschlecht erfassen und es zum Untergang prädestinieren. Der Schauplatz dieser Schicksale ist das Frankreich des zweiten Kaiserreiches. In zwanzig Bänden entwickelt der Dichter die Geschichte der »Rougon-Maquart« als die Geschichte eines psychisch-sozialen Zersetzungsprozesses. Jedes einzelne dieser Bücher ist ein Meisterwerk an sich. Wir wollen hier nur die allerhervorragendsten namentlich aufführen. Es sind dies: »Der Bauch von Paris«, »Die Sünde des Priesters«, »Der Totschläger«, »Nana«, »Germinal«, »Das Werk«, »Mutter Erde«, »Die Bestie im Menschen« und »Der Zusammenbruch«. – Die Gedanken, die Zola als Kritiker vertreten hat, sind nichts anderes als der theoretische Extrakt aus seinen Werken. Als ersten Band seiner kritischen Abhandlungen veröffentlichte er 1866 »Mes haines«. Der Titel ist bezeichnend für den souverän-subjektiven Standpunkt des Verfassers. Es folgten: »Le roman expérimental«, »Les romanciers naturalistes«, »Nos auteurs dramatiques«, »Documents littéraires«. Die Romane der Städtetrilogie und die Tetralogie »Arbeit«. »Fruchtbarkeit« usw. sind nicht mehr solche gewaltigen Temperamentsäußerungen wie die »Rougon-Maquart«.

Manche seiner Romane bearbeitete Zola auch für die Bühne, teils allein, teils in Gemeinschaft mit dramatischen Autoren. Eine Reihe von diesen hatten außerordentlich starken Erfolg und behaupten sich heute noch auf allen fortgeschritteneren Bühnen, wie »Therese Raquin« und »Der Totschläger«.

V. H.


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