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Johannes Schlaf

Johannes Schlaf, geb. den 21. Juni 1862, gehört zu den Bahnbrechern der modernen Literatur. Seine ersten Schriften gab er gemeinschaftlich mit Arno Holz unter dem Pseudonym Bjerne T. Holmsen heraus, und man kann die Skizzen »Papa Hamlet« und das Schauspiel »Familie Selicke«, die auf diese Weise entstanden, als die ersten Produkte der naturalistischen Schule bezeichnen, als den Grundstock, auf dem Gerhart Hauptmann weiter baute. Leider ist zwischen Schlaf und Holz ein recht unerquicklicher Streit entstanden, wem der Hauptanteil an den Arbeiten gebührt, ein Streit, der noch nicht beendet ist, der vielleicht zu Schlafs Gunsten neigt. Was Schlafs eigene Arbeiten betrifft, so geht schon aus ihnen klar hervor, daß er ein Künstler ist, der es nie nötig hatte, die Initiative eines anderen für seine Tätigkeit zu benutzen. Er ist seiner realistischen Methode treu geblieben, hat aber doch den Lauf der Zeit nicht an sich vorbeigelassen, sondern sich in seiner Art ständig gewandelt und verfeinert. Seiner Tragödie »Meister Ölze«, einem guten, aber bühnenunwirksamen Drama, folgte »Der Frühling«. In einer ganzen Reihe von Novellen – erwähnt seien die Sammlungen »In Dingsda«, »Sommertod«, »Die Kuhmagd«, »Frühjahrsblumen« und »Der Narr« –, sowie in seinen Gedichten bewährte er sich ebenfalls als Schilderer all der Kleinheiten und Kleinigkeiten, die jedem anderen entgehen, und ahmte, so gut es gehen wollte, sein Vorbild Walt Whitman nach, ohne ihn je erreichen zu können. Dann begann Schlaf mit einer Roman-Trilogie, in der er die Seele des modernen Menschen zu zergliedern suchte: »Das dritte Reich«, »Die Suchenden« und »Peter Boies Freite«. Hier verliert sich der Dichter, zumal im dritten Bande der Trilogie, in ganz umständlichen Breiten in der Naturschilderung; doch ist seine Fähigkeit, besonders in den »Suchenden«, die seelischen Vorgänge auch in gar nicht außergewöhnlichen Individuen zu erkennen und zu beschreiben, erstaunlich. Noch feiner herausgebildet tritt diese Fähigkeit in seinem neuesten Romane »Der Kleine« hervor; hier gibt die Handlung, eine suggestive Beeinflussung eines harmlosen Menschen durch einen gewissenlosen Freund, dem Dichter Gelegenheit, uns in die kompliziertesten Wirrungen einer an sich ganz indifferenten Seele hineinblicken zu lassen. Dabei leidet die Schilderung des Milieus in keiner Weise. Im Gegenteil kann die Beschreibung beispielsweise des Treibens auf der Warschauer Brücke in Berlin, der umnebelten Morgenstimmung in dieser trostlosen Gegend, als ein kleines Kunstwerk für sich allein gelten. – Den stärksten Einfluß auf Schlafs Produktion dürfte neben dem Amerikaner Walt Whitman und den beiden Ibsen und Zola noch der moderne Stürmer und Dränger Hermann Conradi gehabt haben. Doch verleiht das Gemisch von Conradis derbem, rücksichtslosem Zupacken und Whitmans feinfühlig lyrischem Subjektivismus der Schlafschen Dichtung eine eigene Note.

E. M.


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