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Ernst Frhr. v. Wolzogen

Ernst Frhr. v. Wolzogen, geb. 1855 zu Breslau, lebt in Berlin. Ein eigenes, fröhliches und selbstbewußtes Temperament, das oft Ansätze zu etwas Großem nahm, aber nie über diese Ansätze hinausgewachsen ist. Eine große Zahl Novellen, Erzählungen, Burlesken und Skizzen von ihm zeigen alle ein liebenswürdiges und flottes Talent im Gebiete der verfeinerten Erotik. Dabei beherrscht Wolzogen die deutsche Sprache in virtuoser Weise und weiß charakteristische Episoden mit einer Fülle von Witz und drastischer Pointierung zu erzählen. Das Leiden all seiner Produktionen ist die bodenlose Saloppheit, mit der er die besten und wirkungsvollsten Anläufe selbst durchkreuzt. Dieser Vorwurf trifft die ganze lange Reihe seiner Werke ausnahmslos und tritt in seinen späteren Arbeiten noch störender hervor als in den früheren. Seine Verse, die übrigens nur in Anthologien und Zeitschriften an die Öffentlichkeit gelangten, zeugen von sehr starkem Talent; aber der gänzliche Mangel an daran verwandter feilender Arbeit verhindert auch hier den rein künstlerischen Genuß. In seinen Romanen »Kraftmeier« und »Drittes Geschlecht« gibt er Miniaturbildchen von entzückendem Reiz; als ganzes betrachtet, kann man diesen Arbeiten aber den Charakter von Kunstwerken nicht zuerkennen. Denn auch hier, ebenso wie in dem stellenweise ganz hervorragenden Gesellschaftsroman »Die Kinder der Exzellenz« fehlt es an innerer Sammlung und dichterischer Konsequenz. So ist es auch wohl durch Wolzogens nonchalante Flüchtigkeit zu erklären, daß er sich zuweilen Geschmacklosigkeiten leistet, die kaum mehr an den Verfasser so vieler fein empfundener und glücklich gestalteter Szenen erinnern. Am schlimmsten in dieser Beziehung ist wohl das »Eheliche Andachtbüchlein«, in dem er seine Gattin Elsa Laura und diese ihn recht unerfreulich anreimen. Die beste der Wolzogenschen Arbeiten ist vielleicht das Lustspiel »Das Lumpengesindel«, in dem er mit vorzüglicher Beobachtungsgabe das Bohêmeleben zeichnet, wie es in gewissen Kreisen der Literaturrevolutionäre waltete. Es fehlt nicht an tragischen Momenten und ergreifenden Situationen, aber auch hier hält eine einheitlich künstlerische Stimmung nicht vor. – Wolzogens Plan, das Variété zu verfeinern und auf ein künstlerisches Niveau zu heben, den er mit der Gründung des »Überbrettls« zur Tat machte, scheiterte zum Teil ebenfalls an seinem Unvermögen, die künstlerische Höhe, die er anstrebte, durch Heranziehung gleichwertiger Kräfte zu erreichen, wenn auch eine Reihe äußerer Faktoren das ihrige taten, um das feingedachte Unternehmen zu verflachen und es seiner ursprünglichen künstlerischen Tendenz zu entkleiden. Die Absicht war gut, ebenso wie die neue, eine moderne komische Oper ins Leben zu rufen. Aber zu ihrer sinnentsprechenden Durchführung fehlte es dem liebenswürdigen Weltmann Ernst v. Wolzogen an dem genügenden Maß von künstlerischem Ernst und innerer Festigkeit.

E. M.


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