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Max Halbe

Max Halbe, geboren 1865 in Guettland in Westpreußen, lebt in München. Er hatte mit seiner »Jugend« einen der stärksten Theatererfolge der letzten fünfzig Jahre. Worin die starke Wirkung des Stückes auf das deutsche Publikum zu suchen ist, läßt sich bei einem flüchtigen Blick leicht erkennen. Hier war ein Thema berührt, das nach den verschiedensten Seiten hin interessierte; ein gemäßigter Realismus in der Anschauung, ein sicherer Griff in der Verwertung der psychologischen Effekte kam hinzu, alles aber unter den Auspizien ehrlicher Arbeit. So kamen Kenner und Schaulustige auf ihre Rechnung. Was dem einen dramatische Virtuosität bedeutete, war dem andern Konzession hinsichtlich seiner Theaterbedürfnisse. Die prikelnde Lüsternheit in solch diskreter Form war auch dem Philister willkommen; mit so ernster Miene durfte jeder über sexuelle Fragen sprechen, auch von der Bühne herab. Der zweite Grund lag wohl in den wirklichen Qualitäten des Dramas, hauptsächlich in der Charakteristik. Man sah hier Personen einander gegenübergestellt, deren Porträtähnlichkeit überraschte. Solche Pfarrer, solche Gymnasiasten waren jedem geläufig; das waren Typen, in deren Konflikte er sich rasch und leicht hineindenken konnte. Das Vermeiden aller krassen und überharten Züge stimmte versöhnlich mit dem nackten und unbarmherzigen Realismus des Problems, den man im allgemeinen mißverstand oder übersah; diese Erotik der Pubertät im Gewande der Unschuld, diese Tragik der Naivität stimmte sentimental und erweckte in allen verborgene Saiten des eigenen Empfindungslebens. – Viel reifer als die »Jugend«, aber weniger bühnenglücklich ist »Mutter Erde«. Wie in allen seinen Dramen, auch dem bereits erwähnten, steht Halbe auch hier ganz auf heimatlichem Boden, dessen Saft und Kraft alle seine Gestalten durchströmt. Ein Tropfen gemischten Blutes rollt in allen, so deutsch sie sich auch gebärden mögen; ja selbst seine Szenerie strahlt den Duft der heimatlichen Äcker und Gärten aus. Die Psychologie, die hinter jeder, auch der nebensächlichsten Figur für den Sachkundigen das Modell erkennen läßt, erweist sich gerade in »Mutter Erde« als besonders gelungen und fein in der Detailwirkung. Was das Stück um seine volle Wirkung bringt, ist die etwas gezwungene Lösung des Konfliktes, ein Fehler, der bei Halbe oft wiederkehrt. Noch einen Schritt weiter in der Zeichnung der handelnden Personen macht der Dichter in »Das tausendjährige Reich«. Wenigstens hat der erste Ansatz zu der Charakteristik der Hauptperson etwas Gewaltiges, Zwingendes. Daneben gerät allerdings manches konventionell und verblaßt durch den Mangel an innerer Entwicklung und Steigerung. Zuweilen schleichen sich sogar Widersprüche ein, die die Gesamtwirkung störend beeinflussen. Einen andern hervorstechenden Zug Halbes, den uns seine spätere Produktion besonders deutlich werden läßt, ist die Vorliebe für symbolische Verwendung von Naturstimmungen. Man ist geneigt, darin die typische Grundlage seines Talentes zu entdecken. Seine »Lebenswende« (1896) verrät diesen Zug mit besonderer Deutlichkeit. Das gleiche gilt vom »Eisgang«, der bereits 1892 erschien, und in dem in Berlin erfolgreichen Familiendrama »Strom« eine Art Neubelebung erfuhr. Das Lustspiel »Der Amerikafahrer« ist weniger gelungen, ebenso wie ein späteres Werk heiteren Genres »Walpurgistag«, das, verschiedentlich aufgeführt, überall Mißerfolge erntete. Das Abweichen von der realistischen Gegenständlichkeit nimmt den genannten Werken das Beste ihrer Wirkung. Auch episch hat sich Max Halbe versucht; seine Dorfgeschichte »Frau Meseck« 1897, enthält jene Kraft des Aufbaus und der Charakteristik fast noch ausgeprägter und konsequenter, als seine dramatischen Produktionen.

V. H.


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