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Nach der Hochzeitsreise. Ein Brief statt einer Vorrede, die sonst nie gelesen wird

Meine geliebte Tochter!

Der letzte Wagen mit den letzten Hochzeitsgästen rollt davon. Das Mädchen löscht die Lampen und Lichter aus, und ich bin allein in der Wohnung, die ich sonst mit Dir teilte. Du bist nun schon mit Deinem lieben Mann in Dresden und wirst morgen in der sächsischen Schweiz weilen und beide werdet Ihr die Wonne und Seligkeit zweier Liebenden kennen und empfinden lernen.

Aber nach der Zeit des wolkenlosen Sonnenscheins und des mühelosen Genusses, kommt das Leben zwar mit seinem Glück und seinen Hoffnungen, aber auch mit seinen Pflichten und seinen Arbeitsanforderungen und gerade als Frau sind diese gar nicht leicht, denn, wenn der Mann vom Tagewerk mittags oder abends müde und abgespannt nach Hause kommt, da gilt es ihm ein freundliches Gesicht zu zeigen und ein gemütliches Heim zu bereiten. Nicht am wenigsten können wir Frauen das dadurch erreichen, daß wir billig wirtschaften und gut kochen, denn, wenn es schon nicht ganz unrichtig ist, daß die Liebe des Mannes zur Frau durch den Magen führt, so ist es ganz gewiß sicher, daß wir mit nichts unsere Männer mehr verstimmen, als wenn wir für die Wirtschaft übermäßig Geld ausgeben. Denn, mein liebes Kind, wenn man auch im Leben vorwärts kommt, so viel hat niemand, daß er nicht am Unnötigen sparen könnte und nicht mit dem Verdienten, sondern mit dem Ersparten bringt man es zu etwas.

Alle diese Gedanken hatte ich schon während der Zeit Deiner Verlobung, und ich erinnerte mich oft mit Schrecken der schlimmen Zeit, die ich als junge Frau in den ersten zwei Jahren meiner Ehe verlebte. Mein guter Mann, – Dein seliger Vater, – hat es nie bemerkt, aber wie oft stand ich ratlos vor den Ratschlägen zweier Kochbücher, nach denen ich kochen sollte, denn, wie es meist geht bei der Mädchenerziehung, gerade für die Küche war nicht viel Zeit geblieben, und ich hatte mir mit 16–17 Jahren genau wie Du oft gesagt: »Warum kochen, ich habe niemand für den ich koche, das lerne ich später!«

Ja später. Nun war das Später zum Jetzt geworden, und mit dem Angstschweiß auf der Stirn stand ich mit meinen zwei Kochbüchern vor dem Herd. Was für ein Unsinn stand in den Büchern und wie vorteilhaft klang manches; aber ich mußte mich entsetzen, daß ich mit den Rezepten dieser Bücher nach den ersten vierzehn Tagen schon vor einer trostlosen Ebbe meiner Wirtschaftskasse stand, die für einen Monat bemessen war. Und nun waren wir drei Personen mit dem Mädchen, während das bürgerliche Kochbuch der Frau H.... rücksichtslos nur für Feste und Schmausereien rezeptierte, oder für eine Frau mit zehn lebendigen, erwachsenen Kindern. Oder auch das Kochbuch hüllte sich über die Personenzahl, für welche das Gericht bestimmt war in geheimnisvolles Schweigen, während es mit den Maaßen nicht geizte. Was Wunder, wenn ich acht Tage nach der Rückkehr von meiner Hochzeitsreise Deinem guten Vater einen falschen Hasen vorsetzte, der so groß war, daß er eine Woche nicht mehr vom Speisezettel verschwand.

Wie gesagt, tausend solche und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, ehe Du heiratetest, und ich faßte den kühnen Entschluß, Dich mit einem selbstgeschriebenen Kochbuch nach Deiner Heimkehr zu überraschen, mit welchem Du für drei Personen, so zu sagen im Schlafe kochen könntest, ohne von Skrupeln und Kassendefizits verfolgt zu werden.

Gerade als ich fertig war, – das Manuskript lag noch auf dem Schreibtisch, – kam Herr B..... der in der Verlagsbuchhandlung ist und sagte: »Nun, meine verehrte Freundin, werfen sie sich auch auf's Bücherschreiben? Sie waren doch sonst immer so vernünftig!« Ich zeigte ihm die Blätter als für Dich bestimmt, für Deine Ehe, da wurde er ernst und nachdenklich, nahm seine drollige Geschäftsmiene an und bat mich ihm das Heft bis zum nächsten Tage zu überlassen. Am selben Abend noch kam er wieder, und ich begrüßte ihn scherzend mit der Frage, ob er nun kochen könne. Da sagte er: »Nein, ich hab's nicht nötig, denn ich bin Junggeselle, aber tausend junge Mädchen und Frauen haben es nötig. Ich habe meinem Chef das Manuskript vorgelegt, der den eminenten praktischen Wert des Buches gleich erkannte, mit einem Wort, er will's drucken, und Sie sollen dafür ein Honorar kriegen.« Ich war stolz darauf.

Nun ist es fertig, und neulich schickte der Verleger her und ließ mir sagen, daß das Buch eine Vorrede unter allen Umständen haben müßte, eine allgemein verständliche, keine die wissenschaftlich thut.

Da ist sie!

Und nun Gott befohlen und einen innigen Gruß, Dir mein Kind, der ersten Leserin und Gruß und Handschlag allen Folgenden.

Maria Ludolfs


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