Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[188] An Frau von Epinay

Neapel, den 9. September 1780

Ich schulde Ihnen, Madame, eine Antwort auf Ihren lieben Brief vom 6. August. Er fing mit der erfreulichen Nachricht an, daß es Ihnen in diesem Sommer besser gehe als während der vorhergehenden. Wenn das von Sommer zu Sommer so weitergeht, wird alles vortrefflich bestellt sein...

Diderot hat recht. Das Getreide hat in Holland keinen festen Preis, so wenig als irgendein Ding in der Welt; aber er schwankt weniger als in den ackerbautreibenden Ländern. Das ist alles, was ich sagen wollte, und er würde noch weniger schwanken, wenn die Händler ihrem ganzen Wesen nach nicht Blutegel wären; das ist es, was er sagen will. Übrigens ist diese Frage gleichgültig, wie alles in der Welt. Nichts geschieht nach der Meinung der Philosophen in dieser Welt; aber ein Weiser kann ein gutes Buch schreiben, das gefallen, das man eifrig lesen wird: man wird ihm Beifall zollen; er wird einigen Nutzen davon haben, sei es nach der Seite des Geldes oder der Achtung hin; und das ist gut, solang er lebt. Dann stirbt er, und alles wird ihm gleichgültig. Und der Macher der Welt wird von ganzem Herzen lachen, wenn er sieht, wie die Menschen bemüht sind, die Welt für ihre Bedürfnisse zurechtzurichten, während er ganz allein und ohne Mitstrebende sie sich nach seiner Laune und für sein Vergnügen zurechtlegt.

Tausend Dank für die unglaubliche Nachricht, die Sie mir über die Nichtakademizität d'Alemberts gegeben haben. Könnten Sie es herausbringen, ob sich die Sache mit Herrn de la Lande ebenso verhält, dessen wir uns ebenso als eines unserer Akademiker rühmen?

Seien Sie so freundlich, dem Strohsessel zu sagen, daß ich sofort nach Empfang seines Briefes an dem Carmen saeculare zu arbeiten und meine Gedanken niederzuschreiben begann; aber ich habe meine Arbeit liegen lassen, meine Arme sind nicht kräftig genug dazu. Die Medaille trifft nicht ein; er und ich, wir spielen beide eine traurige Rolle in dieser Geschichte; sie wäre mir unbegreiflich, wenn ich mein Pech nicht kennte, was Geschenke anbelangt...

Gatti schickt Ihnen tausend Grüße. Er tut nichts und erfüllt dadurch den Wunsch der Natur, die den Menschen für das Nichts schuf.

Warum zweifeln Sie so sehr daran, Magallon wiederzusehen? Es ist wahr, daß ich darauf rechne, ihn vor Ihnen zu sehen, und zwar vielleicht im kommenden Frühjahr; aber es ist auch länger her, seit ich ihn nicht gesehen habe. Ihre Gedanken über das Bedauern der Toten und der Abwesenden sind wahr und traurig wie alles Wahre. Ergo: bauen wir Romane und leben wir nur von Romanen und in Romanen. Das einzig Wahre, das nicht traurig für mich ist, bleibt das Bewußtsein, daß Sie mich lieben, daß ich Sie liebe, und daß ich stets der Ihrige sein werde.


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