Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[140] An Frau von Epinay

Neapel, den 29. Januar 1774

... Ich bin heute abend, sehr kurz angebunden. Ich gehe auf den Ball in die Oper. Sie müssen wissen, daß Neapel im Jahre 1748 zum ersten und letzten Mal das Schauspiel eines öffentlichen Balles erlebte. Die Pfaffen, die Knoten, die Stützen der Nationalbarbarei, fühlten die schrecklichen Wirkungen eines freien, bezahlten, katholischen, das heißt universalen Balls. Sie widersetzten sich dem mit unglaublicher Heftigkeit und bewirkten ein Verbot für immer. Es hat unendliche Mühen gekostet, den Ball wieder einzuführen. Ich habe mehr dazu getan, als man glauben möchte. Kurz und gut, der glückliche Zufall, daß der König den Karneval hier verbringt, und andere günstige Umstände haben zum Gelingen einer Sache beigetragen, die man für verloren hielt. Ich erhoffe daraus viel Gutes für mein Vaterland. Die Galanterie ist der Schleifstein, der die Nationen verfeinert; ich schreibe Ihnen also maskiert, eine venetianische bautte ist mein einziges Kleidungsstück. Zweiundzwanzig Jahre ist es her, daß mein Gesicht ohne Maske durchging; denn in Paris bin ich niemals auf einem Ball gewesen. Ich nehme niemand mit. Ich bedarf keines Schleifsteins; ich bin abgeschliffener, als es sich für einen Roué schickt.

Indessen haben diese Bälle zweiundfünfzig Engländer und etwa dreißig Fremde aus anderen Nationen herbeigezogen. Wir haben den Karneval von Rom und Venedig überflügelt. Wir werden aus Europa in wenig Tagen hunderttausend Taler herausziehen. Milord Clive allein könnte sie ausgeben, indem er schlechte Kopien von Bildern als Originale kauft. Er ist hier; er kauft welche und ist überzeugt, daß Diamanten Kunstgeschmack verleihen. Dies ist wahr bis zu einem gewissen Punkt; denn es ist ebenso wahr, daß stultitiam patiuntur opes...


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