Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[45] An Frau von Epinay

Neapel, den 13. Oktober 1770

In der vergangenen Woche habe ich Ihren Brief nicht zur Zeit bekommen, um darauf antworten zu können. Überdies sind es schon drei oder vier Wochen, daß Ihre Briefe mich nicht mehr elektrisieren. Niemand schreibt mir mehr aus Paris. Sie selbst lassen drei Viertel meiner Fragen unbeantwortet; ich bitte Sie, meine Briefe nochmals durchzulesen, und Sie werden sehen, daß ich recht habe. All das versetzt mich in eine Hundelaune. Dazu noch Merlin und die Konsuln! Sie werden einsehen, in welcher Niedergeschlagenheit und Traurigkeit ich mich befinden muß, da ich sehe, daß Paris mich aufgibt und vergißt und mich zwingen will, es zu vergessen. Bis zu dieser Stunde lebte ich nur in Paris und für Paris; aber ohne zahlreiche Briefe all meiner Freunde kann ich mir das nicht vorstellen und mich nicht für diese unersetzbare Gesellschaft entschädigen. Sie wünschten, daß ich den ›Radau‹ vollende. Ich glaube, es ist nichts mehr daran zu vollenden. Ein Scherz muß kurz sein. Sie haben nicht den vollen Genuß daran haben können, weil Sie das Buch Interet general, das den Scherz parodiert, nicht hatten. Kaufen Sie es, bitte. Sicherlich wird die Auflage nicht vergriffen sein. Sehen Sie, vergleichen Sie, und dann lachen Sie! Aber, die Wahrheit zu sagen, ich weiß nicht, ob man den Scherz noch weitertreiben soll. Nichts würde mir leichter sein, aber ich fürchte, es wird monoton. Außerdem blutet mir noch immer das Herz über die Beleidigungen, die man meinen Dialogen zufügte, und ich zöge eine Ehrenrettung von Herrn de Sartine oder dem Abbé Terray einer lärmenden Rache an einer Herde von Ökonomisten vor, die man in einem Sputum ertränken kann, die aber dennoch eine mächtige Sekte und vielleicht eine Religion bilden werden, weil sie traurig und abgeschmackt und ein kleines bißchen jedem Aufruhr geneigt sind, der, wie man sagt, die Gleichheit der Stände wieder herstellen soll.

Sie wollen einen schönen Karneol (nichts ist so leicht), aber Sie wollen ihn antik (und nichts ist so schwer). Sie wissen, daß ich einen solchen seit fünf Jahren schon Diderot versprochen habe, aber noch nicht Gelegenheit hatte, ihn aufzufinden. Ich werde jedoch danach suchen, und in der folgenden Woche werde ich Ihnen sagen, welche Fortschritte ich gemacht habe...

Erzählen Sie mir etwas von Grimm und Diderot. Was treiben sie? Fragen Sie Grimm nach Nachrichten über meinen lieben Fürsten von Sachsenist in Florenz; aber es scheint (wie Abbé Raynal zu Madame Geoffrin sagen würde), daß schreckliche Revolutionen in Dänemark vorgehen.

Man sagt, Sie wollen Krieg führen. Ihre Zeitungen erwähnen nichts davon; aber Ihre königlichen Staatspapiere künden es zur Genüge an. Wenn Frankreich Krieg führt, so würde ich darauf wetten, daß er glücklich ausgehen wird, weil Ihr Land alles bar bezahlen wird, denn von Kredit ist nicht mehr die Rede.

Schreiben Sie mir lange Briefe, wenn es wahr ist, daß Sie mich lieb haben. Ich versichere Ihnen, ich habe in Neapel kein anderes Vergnügen, als im Geiste nicht hier zu sein. Wenn wir leben, so werden wir uns unfehlbar wiedersehen, und ich möchte wetten, dies wird keine sechs Jahre mehr dauern.

Leben Sie wohl, schöne Frau. Warum schreibt mir eigentlich Schomberg nicht? Erinnert sich Madame d'Houdetot meiner noch? Weiß Herr de Saint-Lambert, daß ich ihn immer noch liebe? Was macht Madame Geoffrin? Sie hat einen pestkranken König und einen zähneverlierenden und gelangweilten kleinen Abbé zum Freund, den einen in Polen, den andern in Neapel. Und das alles macht ihr gar nichts aus, darauf möchte ich wetten. Leben Sie wohl.


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