Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[170] An Frau von Epinay

Neapel, den 22. März 1777

Dies ist wahrhaftig der erste Ihrer Briefe seit acht Jahren, der mir, ohne mich zu betrüben, mißfallen hat. Er ist in Wirklichkeit heiter, übermütig, spaßhaft, was einen guten Gesundheitszustand am Ende eines sehr strengen Winters beweist, und dies hindert mich am Traurigwerden; aber er beweist mir auch, daß Sie anfangen, mich zu vernachlässigen, und daß Sie mir nur aus Pflichtgefühl schreiben; und das mißfällt mir sehr. Sie wissen, daß ich mich für Piccini interessiere. Er ist in Paris; Sie sagen mir nichts darüber. Sie erzählen mir auch nichts von Necker, von Caraccioli, von Breteuil, von Frau Geoffrin, vom Baron von Holbach usw., kurz, nichts von all dem, was mich interessieren könnte, nichts von Petersburg (das hätte ich fast vergessen), und Sie verwenden Ihre Zeit auf die Erzählung einer fabelhaften Geschichte, die man zu meiner Zeit von der Perücke des Herrn von Sartine erzählte, und die sich, in erster Fassung, nur auf die selige Perücke des seligen Herrn von Argenson bezieht. Ist das nicht grausam? Sie sprechen auch von den Ex-Jesuiten; was liegt mir daran? Aber Sie sagen mir nichts von meinen Freunden und von unseren Angelegenheiten.

Ich aber werde Ihnen melden, daß der Herr, dem Sie einen Brief für mich gaben, als Mann von Geist Ihren Brief in seine Reisemappe legte; daß er geistvoll genug war, sich diese Mappe in Rom stehlen zu lassen, und endlich, daß sein Geist davor zurückschreckte, bei mir ohne Ihren Brief vorzusprechen. Ergo wäre er abgereist, ohne mich gesehen zu haben; aber ein Ballabenteuer kam dazwischen und ließ mich ihn treffen. Ihr Empfohlener verkehrte bei Frau André, der Gemahlin des schwedischen Konsuls, einer ziemlich hübschen Provenzalin. Ihr Gemahl ist von meiner Größe. (Nota bene) Sie waren auf dem Maskenball des letzten Karnevals. Um ungestört zu sein, hatten sie sich in eine dunkle Ecke einer Art Eingangshalle zurückgezogen. Madame hatte ihre Maske abgenommen; ich war bis an die Zähne maskiert und wollte mich ihr langsam nähern, da ich sie sehr gut kenne. Ich hörte, wie sie sagte: »Das ist er; ja, das ist er!« Und der Unbekannte schien meinetwegen in Verlegenheit zu sein. Ich trete näher und fange sofort an, Madame durch Zeichen zu necken; sie erkannte mich nicht, obwohl sie an meinem Parfüm wohl merkte, daß ich nicht ihr Gatte war. Endlich, nachdem ich der Quälerei müde war, wende ich mich an ihren Begleiter und sage zu ihm mit meiner natürlichen Stimme: »Ja, mein Herr, ich bin just der, für den Sie mich halten.«

Madame erkennt mich an meiner Stimme, stößt einen Freudenschrei aus und sagt: »Ah, das ist Herr von Galiani!«

Daraufhin nimmt der Herr seine Maske ab und muß wohl oder übel bemerken; »Wahrhaftig, mein Herr, Sie sind es, dessen Bekanntschaft ich vor meiner Abreise zu machen wünschte. Ich hatte einen Brief an Sie usw.; ich habe ihn verloren usw.; ich bin ein Esel usw.; ich reise morgen ab usw.; ich werde diese Geschichte der Frau von Epinay erzählen usw.«

Wir haben eine Viertelstunde geplaudert, und alles war erledigt, nachdem er mir über Ihre Gesundheit berichtet hatte. Wenn Sie Nachricht über die meinige wollen, fragen Sie den Chevalier von Moustier, der heute nacht abreist, um aus Paris eine Frau zu entführen und sie hierherzubringen. Leben Sie wohl!


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