Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[161] An Frau von Epinay

Neapel, den 14. Juni 1776

Seit zwei Wochen bin ich ohne Briefe von Ihnen. Ich fürchte, das ist Politik! Nachdem Sie mir die trockene Neuigkeit von dem Ministerwechsel mitgeteilt haben, wollen Sie mir die Glosse verschweigen, nicht wahr? Ich aber, der hierin anständiger ist als Sie, werde Ihnen ganz offen alles melden, was ich über die Herzogin von Chartres weiß, die gestern abend eingetroffen ist und heute früh mit dem König und der Königin gespeist hat. Leute aus Rom haben uns berichtet, daß sie dort um neun Uhr schon in ihrer Wohnung sein wollte, während die römischen Gesellschaften im Sommer erst um elf Uhr abends beginnen. Als man ihr den Petersdom zeigte, durchlief sie ihn in einem Zuge wie ein Windhund, und dabei murmelte sie immerfort zwischen den Zähnen, ohne einer Sache einen Blick zu gönnen: Reizend! Endlich blieb sie vor dem Grabmal der Königin Christine stehen, und nachdem sie es lange betrachtet hatte, sagte sie: Wie schlecht sie frisiert ist! Und dann trollte sie sich. Dieser Zug ist so originell und so neu, daß ich ihn Ihnen nicht verschweigen konnte. Heute früh hätte sie fast einen Auflauf auf den Straßen veranlaßt. Man mußte die Sitzkissen des höchsten Wagens der Gesandtschaft entfernen, damit sie mit ihrer Frisur Platz hatte. Der König hat sich unglaubliche Mühe gegeben, um das Lachen zu verbeißen. Ich habe es sehr eilig. Ich werde heute abend ins Theater gehen, um den Erfolg dieser Neuheit zu sehen. Ah! selbst die Haushofmeister der Philosophen verursachen Empörungen in den Staaten ?

Seit Ostern habe ich keine Nachrichten von dem Reisenden; geben Sie mir sie, wenn Sie solche haben.

Ich habe das Kattunpaket erhalten; es befanden sich drei Schnitte darin. Zwei sind ausgezeichnet, aber der dritte taugt nichts. Gewiß haben Sie sich alle Mühe gegeben. Man muß also annehmen, daß der Handel der Indischen Gesellschaft so blühend geht, daß man in Paris nicht Stoff genug findet, um zwölf Kattunhemden daraus zu machen.

Was sagt der Abbé Morellet dazu? Ist er mit seiner Freiheit zufrieden? Findet er sogar die Freiheit, die Minister zu entlassen, angenehm? Doch ich vergaß: der Markgraf von Bareith hat mir aus seiner Residenz geschrieben, daß er während seines Pariser Aufenthaltes seinem Bankier den Auftrag gegeben habe, mir zwölf Flaschen bester Tinte zu schicken. Ich habe keine Anzeige aus Paris erhalten. Nur der Herr Botschafter Clermont hat mir erzählt, daß man ihm diese Kiste übergeben wollte, was er ablehnte. Ich hätte aber diese Tinte sehr nötig. Wollen Sie diesen Bankier veranlassen, mir sie möglichst schnell zu schicken?

Da es so schwierig ist, Kattun für Hemden zu erwischen, geben Sie acht und kaufen Sie mir gelegentlich, nach Ihrer Bequemlichkeit, und wenn Sie welche finden, ein anderes Dutzend. Sie haben alle Zeit dazu, und wenn irgendein Nuntius oder sonst jemand hierher geht, können Sie mir ihn schicken.

Tausend Empfehlungen an Ihre Frau Tochter. Leben Sie wohl. Haben Sie mich lieb, trotz der Entfernung. Heute jährt sich genau der Tag, an dem ich Sie im Jahre 1769 verließ. Ah, welche Erinnerung!


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