Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[129] An Frau von Epinay

Neapel, den 14. August 1773

Mein Brief über den Warschauer Vorfall, schöne Dame, war unter dem ersten Eindruck des Erstaunens und des Erschreckens geschrieben. Hinterher hab ich es mir überlegt und habe Ihnen, wie Sie bemerkt haben werden, nicht mehr darüber geschrieben:

1. Weil der König von Polen, obwohl er mir nicht bekannt ist, doch ein verständiger Mann sein muß; denn er hat es doch nun mal, wohl oder übel, fertig gebracht, König zu werden;

2. Weil Monsignore Garampi der gelehrteste, beste römische Prälat, ein seltener Mann und ein sehr guter Freund von mir ist;

3. Weil Grimm oder andere, wenn sie auch wohl noch so sehr für mich begeistert sein dürften, doch verständig genug sind, mich nicht bloßzustellen. Nachdem ich also alles überlegt habe, bin ich ruhig, und mein Wunsch, zu erfahren, welche Briefe, als angeblich von mir verfaßt, der König von Polen wohl erhalten haben mag, ist jetzt nur noch eine Neugier; statt meinen Zorn zu besänftigen – der nicht mehr vorhanden ist – versuchen Sie doch, bitte, diese meine unschuldige Neugier zu befriedigen; ich vermute, Sie werden es können. Sollte man nicht etwa aus Spaß Briefe fabriziert und sie mir zugeschrieben haben, wie es mit den Briefen der Frau von Pompadour und mit so vielen Werken von Boulanger, Mirabaud und andern geschehen ist? Ich bin wirklich sehr neugierig darauf. Übrigens würde mir wirklich außerordentlich viel daran liegen, daß meine Briefe gelesen würden; nur müßte der, der sie zeigte, sich stets erinnern, daß ich in Neapel wohne; daß ich Abbé bin und daß es noch genug Jesuiten auf der Welt gibt, die lebendig genug sind, um sich rächen zu können. Abgesehen hievon ist mir alles andre ganz einerlei. Ich werde hinfort in dieser Welt weder eine große Persönlichkeit noch ein Nichts sein: ich werde ein Handelsrat sein in einem Lande, wo es keinen Handel gibt – weiter nichts. Ich glaube, wir haben uns verstanden. Am tröstlichsten ist mir an Ihrem Brief, daß Sie mir kein Wort mehr von Ihrer Gesundheit sagen. Dies überzeugt mich, daß Sie allen Ernstes der Heilung entgegengehen.

Ich möchte Ihnen wohl etwas Lustiges schreiben, denn ich habe große Lust dazu; aber ich bin nicht mehr in Stimung ... Ich selber bin stark beschäftigt mit der Aufsuchung von Nachrichten über das Leben des Herzogs von Valentinois, Cesare Borgia, und zwar aus einem sehr seltsamen Anlaß. Ich sollte eine Broschüre über ihn schreiben, um sie dem Papst zu widmen. Ist das nicht recht sonderbar? Sehen Sie doch zu, ob nicht Herr Capperonnier oder irgendein anderer mir mit seinen Kenntnissen helfen könnte. Ich finde hier nicht das Brantômesche Werk über die »berühmten Ausländer«, und ich möchte wissen, in welchem Alter er starb oder, was auf dasselbe hinausläuft, in welchem Jahre er starb. In welchem Jahre verheiratete sich sein Bruder, der Herzog von Gandia? Und mit wem? usw. Wenn Sie dieses Brantômesche Werk auftreiben können, schreiben Sie es mir; ich werde Ihnen dann meine Fragen schicken. Haben Sie mich immer lieb! Leben Sie wohl.


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