Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[57] An Frau von Epinay

Neapel, den 9. Februar 1771

Madame,

mein Herz treibt mich nicht, an Paris zu denken. Ich finde mich alle Tage gefühlvoller, als ich geglaubt hätte. Mein Pariser Verlust vermehrt sich noch um einen Verlust, den ich in Genua erlitt; und ich kann diese Verluste nicht ersetzen, denn das Geschlecht liebenswürdiger Männer und Frauen ist für mich, wie es scheint, ausgestorben.

Tausend Dank für das Gespräch zwischen Panurg und Pantagruel. Panurg ist ein ebenso schlechter Moralist wie Ökonomist. Unsinn! Ein Pestkranker hat nicht das Recht, sich an der Tafel des Barons unter allen Gästen niederzulassen! Die Natur gibt dem Menschen Gewalt, Freiheit und Besitz – von den Lateinern occupatio genannt. Die Gesellschaft dame Recht ist ein Gleichgewicht (ein Ausgleich) verschiedener Zweckmäßigkeiten. Utilitas justi prope mater et aequi. Das Recht ist also ein Ergebnis verschiedener Gewalten; und die Gesetze sind ein Beweis für das hohe Alter der Welt; denn sie hat eine Reihe von Zeitaltern durchmachen müssen, wo nur Gewalten herrschten; und wenn man der Sache auf den letzten Grund geht, so hat das Versuchen aller dieser Gewalten zu Gesetzen geführt und das Recht entstehen lassen. Ein Pestkranker kann also den Willen oder gar die Gewalt haben, sich zu anderen Menschen zu setzen; aber er hat nicht das Recht dazu, denn die Gesellschaft gibt es ihm nicht, sie verweigert es ihm vielmehr. Aber Panurg rührt alles durcheinander, als ein echter und rechter Ökonomist, der er geworden ist. Leben Sie wohl. Diesen Brief hab ich im Galopp geschrieben, weil ich ausgehen muß.


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