Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[126] An Frau von Epinay

Neapel, den 17. Juli 1773

Meinem Bürzel geht es famos; aber wenn es notwendig ist, daß dieser in gutem Zustand sei, um Briefe diktieren zu können, so ist es ebensowohl notwendig, daß man Briefe habe, um Antworten schreiben zu können. Darum habe ich Ihnen vorige Woche nicht geschrieben. Was konnte meine Phantasie gebären, da sie in solcher Ungewißheit über Ihre Gesundheit war? Diese Woche kann ich ja antworten, da ein Brief da ist – aber was soll ich Ihnen sagen? Ich vermindere die Zahl Ihrer Kopfkissen um eins – ach, wie bedrückt es mich, sie nicht um viele vermindern zu können!

Der Philosoph wird im Haag alle holländischen Schildkröten elektrisieren. Er wird jedoch nach Rußland gehen, daran zweifle ich nicht; oder vielmehr, er wird sich eines schönen Morgens in Petersburg befinden, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen ist.

Fürst Pignatelli ist auch eine Art Diderot. Er kann weder bleiben noch abreisen. Indessen wird er, glaube ich, den Winter nicht hier verbringen. Es gefällt ihm in Neapel; aber er langweilt sich bei seiner Tante und seinem Onkel auf unglaubliche Weise, und dieser Stachel wird ihn endlich zur Abreise bringen. Ich sehe ihn oft, wir plaudern von Ihnen; wir beklagen uns, daß Neapel so gar keine Ähnlichkeit mit Paris hat; aber wir befinden uns wohl, denn man stirbt aus physischen Ursachen, aber niemals oder fast niemals aus seelischen Gründen.

Wir haben dieses Jahr hier in der Umgegend von Neapel ein Phänomen, das ich für unmöglich hielt: eine Ernte, die in allen Arten von Bodenprodukten gleich wunderbar ist. Da diese Produkte sehr zahlreich und verschieden sind, so hielt ich es für unmöglich, daß dieselbe Jahreszeit alle Erzeugnisse in vollkommener Güte hervorbringen könnte: Gemüse, Gerste, Weizen, Mais, Hanf und Flachs, Seide, Obst, Wein, Öl usw. Und doch ist dieser Fall dieses Jahr eingetreten, und ich bin sehr neugierig, welche politischen Wirkungen ein solcher allgemeiner Reichtum des Bodens haben wird.

Frankreich leidet unter Hungernot, und wie ich höre, gibt man mir die Schuld daran. Wenn Sie sich wohl befänden, würde ich noch ein Gespräch schreiben, und man würde mein Buch mit einigen Briefen und diesem Dialog neu drucken. Vielleicht würde man mich besser verstehen, ganz gewiß würde man mich noch einmal kaufen. Aber Ihr Bürzel wirft mich aus dem Sattel. Was soll man mit einer Dame anfangen, die einen zerschundenen Bürzel hat? Sagen Sie mir also recht schnell, daß es Ihnen gut geht, und beschäftigen Sie sich damit, mir alle Anschuldigungen der Ökonomisten gegen meine Dialoge mitzuteilen, die nach ihrer Behauptung die einzige Ursache der Aufstände in Guyenne und Languedoc sind.

... Bitte, lassen Sie sich von den vier Kopfkissen entbinden. Leben Sie wohl.


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