Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[68] An Frau von Epinay

Neapel, den 18. Mai 1771

... Man sieht wohl, daß ich nicht mehr an Ihren Abenden teilnehme! Wie in aller Welt können Sie tagelang darüber disputieren, was gefährlicher sei: ein Dummkopf, der zu befehlen hat, oder ein kluger Mann, der falsch urteilt? Das ist in zwei Minuten entschieden: die Dummköpfe machen nur darum Dummheiten, weil die klugen Menschen, die sie beraten, falsch geurteilt haben. Also sind es nicht zwei verschiedene Fälle und nicht zwei verschiedene Übel, sondern stets nur ein einziger Fall, die einzige Wirkung einer und derselben Ursache. In der ursprünglichen und natürlichen Ordnung dieser bewunderungswürdigen Welt gibt es Dummköpfe und kluge Leute. Die Natur hat gewollt – wenn sie überhaupt jemals etwas gewollt hat – daß jeder auf der Welt eine Rolle spiele. Nun gibt es aber nur zwei Rollen zu spielen; befehlen oder beraten. Beraten konnte man die Dummköpfe nicht lassen; sie hatten nicht mal so viel Verstand, um falsch zu urteilen. So mußten also die Dummköpfe befehlen; denn wenn sie das nicht täten, würden sie überhaupt nichts tun; sie wären überflüssig in der Natur, in der nichts überflüssig sein darf, wenn nicht etwa sie selber, so, wie sie da ist, überflüssig ist.

Eine sehr gute Bemerkung macht Fra Paolo in seiner Geschichte des Tridentiner Konzils. – Die Theologen berieten, und die Väter, das heißt die Bischöfe, die von Theologie kein Wort verstanden, entschieden das Dogma. Wie im politischen System ist es auch in der Republik der Wissenschaften; die Dummköpfe machen den Text, und die klugen Leute verfassen die Kommentare dazu. Darum erklärt Panurg die Tabellen der Physionomie rurale und bildet sich mit aller Gewalt ein, daß er sie verstehe. Darum schrieb Newton einen Kommentar zu Daniel und zur Apokalypse...

Mit großem Vergnügen vernehme ich, daß der Chevalier de Magallon Ihnen den Eckplatz Ihrer Loge bei den Italienern abgenommen hat. Sie werden sich in seiner Nachbarschaft wohl befinden, er ist ein zuverlässiger Mann. Guten Abend. Schicken Sie durch Grimm oft Nachrichten und Grüße von mir, an Madame de la Ferté-Imbault, an Frau Geoffrin, an die grausame Necker, die mir durchaus nicht schreiben will. Und hiermit guten Abend!


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