Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[182] An Frau von Epinay

Neapel, den 23. Januar 1779

Madame,

Gatti und ich danken Ihnen für die Einzelheiten, die Sie uns über die Familie Holbach geschrieben haben, die wir alle mögliche Dankbarkeit und Ergebenheit bewahren. Ich freue mich im voraus darüber, den jungen Holbach wiederzusehen, und sein Anblick wird mich gewiß zu Tränen rühren.

Vorausgesetzt, daß es Ihnen gut geht, was liegt daran, daß Ihre Maschine unbegreiflich ist. Der Mensch ist geschaffen, um Wirkungen zu genießen, ohne deren Ursachen erraten zu können.

Ich speise heute mittag mit Frau von Chabot. Ich werde da für Grimm eintreten, wenn man ihm unrecht gibt; aber offenbar wird er recht haben. Ist er kein Freiherr? Es steht ihm also frei, zu tun, was er will. Man schreibt mir aus Florenz, daß Grimm dieses Frühjahr wieder nach Neapel komme. Ist das wirklich wahr? Frau von Chabot hat den lachendsten, schönsten, heitersten Winter erraten, den wir seit langem in Neapel gehabt haben. Sie ist in einem solchen Entzückungstaumel, daß ich fürchte, sie schnappt über. Der Himmel, die Luft, die Landschaft ersetzen ihr Theater, Bälle, Gesellschaften, und obgleich der Karneval sicherlich traurig sein wird, gedenkt sie einen Teil davon hier zu verbringen und alles zu genießen.

Mit meinem Horaz ginge es vorwärts, wenn ich Bibliotheken zu meiner Verfügung hier hätte; aber der Mangel an Büchern, und die Mühe, die man sich geben muß, um solche zu erlangen, stören, verzögern und verekeln mir mein Werk.

Wir haben unsere Frau Geoffrin, die Prinzessin-Mutter Belmonte, die intime Freundin Metastasios, durch den Tod verloren. Welch ein Unterschied zwischen den Verhältnissen in geistiger Hinsicht in Paris und Neapel! Ihr habt vier Panegyriken der Frau Geoffriri veröffentlicht; ihr habt in Versen und in Prosa von ihr gesprochen, und das Weltall hat es vernommen. Wir haben kein Vaterunser und keinen englischen Gruß für Frau von Belmonte gebetet. Sie ist in die Vergessenheit zurückgetreten. Und in diesem Lande muß ich leben, und Sie verlangen von mir geistvolle Briefe, und Grimm noch Bücher obendrein.

Ich bitte Sie, der süßen Vicomtesse meine zärtlichen Grüße auszurichten. Ich bitte Sie, den Baron Gleichen für mich zu umarmen und ihm zu sagen, das Unglück Simons möge ihn nicht davon abhalten, nach Neapel zu kommen; wir seien nicht strenger, nicht ungerechter, nicht verfolgungssüchtiger geworden; wir behandeln wie gewöhnlich im ganzen die Armen ziemlich schlecht und tun den Reichen nichts zuleid. Leben Sie wohl.


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