Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[166] An Frau von Epinay

Neapel, den 19. Oktober 1776

Da die Liebenswürdigkeit des Markgrafen (wie Sie mir melden) nur darin besteht, daß er für mich zwölf Flaschen Tinte in Paris kaufen ließ, die da bleiben, während ich in Neapel bin, und da dieser würdige markgräfliche Bankier, Herr Rieder, der Meinung ist, die Sendung sei nicht von dem Markgrafen, sondern von mir zu bezahlen (während jedermann es anders aufgefaßt hätte), so bitte ich Sie, zunächst nachzusehen, ob er mir von der berühmten Tinte gekauft hat, die man im Laden zur »kleinen Tugend« findet. Wenn es diese Tinte ist, so bitte ich Sie, die Kiste nach Marseille an den spanischen Konsul zu schicken, und ich werde Ihnen die Transportkosten ersetzen. Ich habe gute Tinte außerordentlich nötig. Ihr Rezept ist unausführbar in Neapel; daher muß man alle Schwierigkeiten überwinden, wenn etwas notwendiges Bedürfnis ist. Wenn eine Kiste mit zwölf Flaschen zu groß und zu teuer wird, so schicken Sie mir die Hälfte, und ich werde immer noch genug für den Rest meines Lebens haben. Übrigens kann ich nicht glauben, daß der Markgraf die Absicht hatte, mir die Transportkosten bis Neapel aufzuhalsen. Das Geschenk besteht nur hierin; denn die Flaschen kosten sehr wenig, wie mir scheint...

Der Tod der Frau Trudaine tut mir sehr leid; seit ich aber erfahren habe, daß nach der Berechnung alljährlich drei vom Hundert der Lebenden sterben, scheint es mir, daß jeder Sterbende, der für seinen Teil diese fatale dreiprozentige Schuld abträgt, die Lebenden entlastet, und daß infolgedessen jeder Tod einen Grad der Lebenswahrscheinlichkeit mehr für die Überlebenden bedeutet. Nach dieser hübschen Berechnung habe ich gefunden, daß in Paris Menschen leben, deren Leben mich mehr interessierte als das der Frau Trudaine, und der Wahrscheinlichkeitsgrad längeren Lebens, den Sie eben gewonnen haben, erfüllt mich mit einem angenehmen Gefühl; was mich ärgern könnte, wäre die Geburt Ihres Enkels; denn jeder Mensch, der auf die Welt kommt, vermindert diesen Wahrscheinlichkeitsgrad; aber da er in Freiburg geboren ist, trage ich ihn in die Freiburger Lebensrubrik ein und kümmere mich nicht weiter darum.

Der Zustand, in dem Sie den Fürsten Pignatelli gesehen haben, entzückt mich: der Kummer muß ihm die Erinnerung ausgelöscht haben, denn er hatte mir versprochen, mir aus Spanien Tabak und Malaga zu schicken, und hat es nicht getan. Erinnern Sie ihn daran.


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