Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[94] An Frau von Epinay

Neapel, den 25. April 1772

Die Geschichte von dem Abbé Camdon, schöne Frau, ist nicht die einzige Hoffnung auf die Rückkehr meiner Zähne, die Sie mir gemacht haben. Haben Sie das Lied vergessen, worin alles wiederkam, sogar die Jungfernschaft? Nun, seitdem hoffe ich, neue Zähne zu bekommen, wie jenes keusche Mädchen. Indessen, wenn die Geschichte von dem Abbé Camdon wahr ist, so müßte man diese sonderbare Erscheinung richtig aufklären, ob er in seiner Kindheit die Milchzähne verloren hat, oder ob nicht etwa dieses Nachwachsen der Zähne nur eine verspätete Vegetation ist, die mit sechs Jahren hätte kommen sollen, aber sich erst im sechzigsten gezeigt hat; ob er mit fünfundzwanzig Jahren die letzten Weisheitszähne bekommen hatte; ob er jetzt, wo diese Zähne wiedergekommen sind, auch seine Weisheitszähne zum zweitenmal bekommen hat. Das alles verdiente festgestellt zu werden, und die Akademien würden gut tun, sich damit zu beschäftigen.

Ich danke Ihnen für den Aufsatz von Diderot. Er ist seiner würdig und hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit meinem Gespräch über die Frauen. Aber er ist inmitten von Pariser Damen geschrieben, und ich schreibe unter Neapolitanerinnen. Er taucht seine Feder in den Regenbogen, und ich tunke die meine in Theriak. Seine Schrift ist wie ein Pfau, meine wie eine Fledermaus. So ist der Mensch. Immer durchscheinend, glaubt er etwas an und für sich zu sein, und ist doch nur ein Transparent...

Gatti wird mich in zehn oder vierzehn Tagen verlassen; ich glaube, er wird nach Frankreich zurückgehen. Nach meiner Meinung ist das die größte Dummheit, die er je gemacht hat. Wie es scheint, kehrt er aus Eigennutz zurück und nicht aus Dankbarkeit. Er wird alles ganz verändert finden, und so wird sein Eigennutz nicht seine Rechnung finden, und tausend Verdrießlichkeiten werden ihm das Herz zerreißen.

Ich bin heute abend gar nicht in Stimmung. Behalten Sie mich lieb, schicken Sie mir schnell Bekannte hierher; ohne solche langweile ich mich zu Tode. Adieu...

Da fällt mir ein: das Beste hab ich vergessen. Ich habe am Fuß ein Hühnerauge, das mich rasend macht. In Paris wurde ich mal durch ein Pflaster geheilt, das mir ein Geheimdoktor auflegte, den ich durch die Baronin und Madame Helvetius kennen lernte. Ich war für vier Jahre geheilt. Wenn Sie diesen Mann und dieses Pflaster entdecken könnten, wäre das für mich ein Schatz. Sehen Sie, ich empfehle Ihnen mes cors et mes ames – denn ich habe mehrere: seien Sie meine Erlöserin.


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