Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[155] An Frau von Epinay

Neapel, den 29. Juli 1775

... Maurepas, Turgot, Sartine, Malesherbes: das sind vier Männer, von denen einer allein genügte, um ein Reich wieder aufzurichten. Weiß Gott, ob alle vier dies zuwege bringen, wie es ein Einziger von ihnen sicherlich zustande gebracht hätte. Ach, wie verschieden ist die politische und physische Rechenkunst von der Zahlenrechnung! Es ist nicht wahr, daß man die Wirkungen verdoppelt, wenn man die Ursachen verdoppelt; wenn man doppelt lädt, so folgt daraus nicht, daß die Kugel zweimal so weit geht; aber man wird die Kanone zum Springen oder Platzen bringen; das ist es, was ich ernstlich befürchte, seit ich sie so geladen weiß; sehen wir also dem zu. Ich werde mich also mit meiner Ankunft in Paris wohl beeilen müssen, wenn ich den günstigen Moment, der mir vier große Freunde, vier große Männer, vier ehemalige Intimen in Amt und Stellung zeigt, erwischen will. Ich glaube, hierin die Vereinigung aller Planeten zu sehen; sie werden sieh gegenseitig im Licht stehen.

Anstatt meine Familie zu vermindern, vermehre ich sie alle Tage. Gestern habe ich aus Marseille eine Angorakatze für meinen Angorakater erhalten; wünschen Sie mir Glück dazu, denn ich bin auf dem Gipfel der Wonne. Es wird in Neapel eine Angorarasse geben, und die geistreichen Leute werden zum mindesten wissen, mit wem sie den Abend verbringen sollen, und finden, daß man sie mit Samtpfötchen streichelt. Im übrigen versinken wir jeden Tag tiefer in die dümmste und gröbste Barbarei, und man sieht wohl, daß Gott allein dies für sich selbst tut, weil es ihm Spaß macht: er entreißt uns durch den Tod alle Tage jemand, der die Literatur liebte und sie hätte fördern können; und er tut das mit einem Verstand und einer Einsicht, die den Verdacht an die Wirkungen des Zufalls nicht aufkommen lassen. Der Herzog von Bovino, der Großjägermeister des Königs, war der einzige unserer Höflinge, der Horaz gelesen hatte, und vorgestern ist er gestorben. Erwarten Sie mich auf diese Schilderung hin nicht von einem Augenblick zum ändern?

Guten Tag, schöne Frau! Tausend Empfehlungen an Herrn von Affry, an Ihre Familie, an unsere Freunde. Leben Sie wohl.


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