Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[123] Frau von Epinay an Galiani

Paris, den 26. Juni 1773

Es ist unausstehlich von Ihnen, mich daran zu erinnern, daß unser Briefwechsel nach unserm Tode im Druck erscheinen wird. Ich wußte es wohl, aber ich hatte es vergessen. Nun weiß ich einfach nicht mehr, was ich Ihnen sagen soll: vor der Unsterblichkeit habe ich eine gräßliche Angst. Übrigens wissen Sie, mein lieber Abbé, daß Ruhepausen zu den Regeln des Schönen gehören, und da man meine Briefe in bunter Reihe mit den Ihrigen drucken wird, so wird daraus, alles in allem genommen, eine vortreffliche Sammlung werden.

Ich zeige Ihnen an, daß meine Verstopfung ein bißchen nachzulassen beginnt; aber es ist nur noch sehr wenig. Ich bin nur um ein einziges Kopfkissen abgeschwollen. Ich brauchte fünf zum Schlafen; jetzt begnüge ich mich mit vieren. Viktoria zu rufen ist noch kein Anlaß; aber man muß hoffen, denn Hoffnung ist eine schöne Sache. Ich habe Ihnen vorige Woche nicht geschrieben, weil mein Bürzel ganz zerschunden war; und Sie glauben gar nicht, wie wichtig es ist, daß der Bürzel in gutem Zustand ist, wenn man einen Brief zu diktieren hat. Ich hätte es nie gedacht. Daraus ersehe ich aber, daß es auf dieser Welt noch mehr als eine Wahrheit zu entdecken gibt. Um diese z. B. zu entdecken, war es nötig, daß Umstände eintraten, die mich zwangen, drei Monate lang bewegungslos in der gleichen Stellung zu verbleiben.

Sie glauben, der Chevalier de Chastellux werde mir seine Beobachtungen mitteilen. Aber wo werde ich ihn sehen? Zu mir kommt er nicht, und ich gehe nicht mehr aus. Ich möchte gerne an die nahe bevorstehende Rückkehr des Herrn Fürsten Pignatelli glauben; aber ich fürchte, Sie wollen mich anführen, denn mir ist's, als hätte ich sagen hören, er habe seiner Frau geschrieben, daß er den Winter in Neapel verbringen werde. Da er ihr möglicherweise eine angenehme Überraschung bereiten will, so werde ich zu keinem Menschen weitersagen, was Sie mir über seine Rückkehr schreiben ...

Vom Philosophen sind noch keine direkten Nachrichten da. Wir wissen nur durch einen Brief des Fürsten Galizin an Madame Geoffrin, daß er bei sehr guter Gesundheit in Haag eingetroffen ist; daß er nach Leyden gefahren ist, wo er die Bekanntschaft aller Professoren gemacht hat; daß der Fürst ihn gar nicht von diesen Herren fortbringen kann, und daß es wirklich sehr zweifelhaft ist, ob er nach Rußland gehen wird. Er hat eine ganz närrische Liebe zu allen diesen holländischen Doktoren; vielleicht wird er den Rest seines Lebens dort zubringen – wer weiß?

Ich genehmige, mein lieber Abbé, Ihre Zärtlichkeiten, Ihre Beleidigungen, Ihre Entschuldigungen. Alles, was von Ihnen kommt, ist mir kostbar – seien Sie dessen gewiß! Ohne Zweifel wird die Weltgeschichte von unserer Freundschaft sprechen; verlassen Sie sich darauf, denn sie spricht ja von den Leiden der Menschen. Und gibt es ein größeres, als von geliebten Freunden getrennt zu sein?


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