Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[185] An Frau von Epinay

Neapel, den 17. April 1779

Ja, teure Frau, Sie haben in die tiefsten Winkel meines Herzens hineingeblickt, da Sie die traurige Stimmung bemerkt haben, die da im Grunde herrscht und meine Briefe trübe macht. Seitdem Sie dieses Unglück kennen, hat die Zeit meine Schmerzen vertrieben; aber es ist mir eine gewisse Apathie und Langeweile zurückgeblieben. Der gegenwärtige Zustand unserer Literatur, der Geister und der vaterländischen Verhältnisse hat sie vermehrt. Ich werde alle Tage in diesem Lande unmöglicher. Ich mißfalle den Leuten in Amt und Würden sowie den Literaten; der Tod raubt mir meine Freunde; die Veränderungen am Hofe schaffen mir heimliche Feinde, Neider und alle Arten Bösewichter und Langeweiler.

Ich weiß nicht, ob ich Ihnen geschrieben, daß ich mir eine Verrenkung des Knies zugezogen hatte, die mich zwang, vierzehn Tage lang das Haus zu hüten. Da ich nicht wußte, was ich beginnen sollte, um der Langenweile zu entfliehen, und da ich meine Arbeit über Horaz wegen Mangels an Büchern und Beihilfe nicht fortsetzen konnte, habe ich ein Werk unternommen, zu dem Diderot mich anregte. Ich habe einen Monat daran gearbeitet, und es dürfte bald im Druck erscheinen. Ich bin gezwungen, das größte Schweigen darüber zu bewahren, sonst würde man es verbieten, wie man es mit der Oper »Sokrates« getan. Ihnen allein vertraue ich es an. Ich habe ein Wörterbuch des neapolitanischen Dialektes zu schreiben unternommen, mit etymologischen und historischen Untersuchungen über die eigentümlichen Wortbildungen unseres Kauderwelsches. Ein merkwürdiges Buch, das meinem Vaterlande nützen kann, und im übrigen außerordentlich spaßhaft für solche, die unseren Dialekt verstehen. Es hat mich wenig Mühe, aber viele Zeit gekostet, und dies ist ein Hauptgrund, warum ich Ihnen seit einigen Wochen nicht geschrieben habe. Und wenn Sie sehen, daß ich im gleichen Schweigen während einiger weiteren Wochen verharre, so kennen Sie den Grund, den ich aber zu verschweigen bitte, bis das Werk erscheint.

Den Kummer, den Sie wegen der Witwenschaft der Frau de la Live empfinden, betrübt mich; was ihn betrifft, so hat er meines Erachtens wohl daran getan, zu sterben.

Setzen Sie Ihr Bücherschreiben fort. Dieses ist ein Beweis dafür, daß wir noch am Leben hängen.

Dem Freiherrn des heiligen römischen Reiches schulde ich eine Antwort; aber er hat mich zuweilen so lange auf die seinige warten lassen; daß es nichts Arges ist, wenn auch er einmal wartet.

Diese verfluchten Amerikaner haben euch in einen verderblichen Krieg verwickelt.

Tantae molis erat Americanam condere gentem! Leben Sie wohl!


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