Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[3] An Frau von Epinay

Genua, den 14. August 1769

Sie haben ganz recht, Madame – keine Kartons! Die Kartons sind nur zu Buchdeckeln gut. In Büchern sind sie gar nichts wert.

Etwas schwächliche Stellen sind sicherlich in sehr großer Zahl vorhanden. Meines Wissens wenigstens fünfzig. Aber in bezug auf die Witze bin ich ganz und gar nicht Ihrer Meinung, sondern fand im Gegenteil, es waren nicht genug darin. Sie werden sagen: »Aber sie waren nicht eben geschmackvoll.« Ei, um so besser, Madame. Glauben Sie denn vielleicht, daß alle Leser Geschmack haben? Man muß allen Leuten gefallen. Was für schlechte Witzchen hat nicht der Patriarch Voltaire drucken lassen? Kurz, ich hätte alles stehen lassen; so hätte vielleicht das Buch bei den Dummköpfen sein Glück gemacht – denn Dummköpfe gibt es ja immer die schwere Menge. Aber denken wir nicht mehr daran!

Wenn man erfahren wird, in welch schrecklichem Zustand des Kummers und welcher Bedrückung des Geistes dies unglückselige Werk entworfen, geschrieben, vollendet ist – recht eigentlich eine Frühgeburt! – so wird man dem Verfasser nichts vorwerfen können, und die Herausgeber werden sich mehr Verdienst erwerben, wenn sie es so lassen, wie es ist, als wenn sie es überarbeiten.

... Ich habe absichtlich in Genua meinen Anker ausgeworfen; denn hier ist guter Boden, ich bin sicher vor Ebbe und Flut, und die Meeresströmungen können mich nicht auf die Felsen Neapels treiben. Ich habe Anker und Schiffswinden verdoppelt und hoffe, mich vom Schiffbruch zu retten. Es handelt sich nicht um mein Vergnügen allein, es handelt sich um mein Leben. Ich fühle, und alle Tage mehr, daß es physisch unmöglich ist, fern von Paris zu leben. Beweinen Sie mich für tot, wenn ich nicht wiederkomme.

Sie hätten mir ein großes Vergnügen bereitet, wenn Sie mir mitteilten, wer die gewissen Leute in Neapel sind, die an gewisse Leute in Paris Schlechtes über mich geschrieben haben; ich hätte gern die Einzelheiten gehört, die sie berichtet haben. Ich beunruhige mich natürlich deswegen kein bißchen. Ich habe das glänzendste Lob von meinem Hofe empfangen über meine Talente, meine Rechtschaffenheit, meinen Eifer und die Dienste, die ich der Krone geleistet habe; diese Depesche machte sogar die Runde in der ganzen Stadt Neapel. Mein Gehalt als Handelsrat beträgt fast das Doppelte dessen, was gewöhnlich die andern erhalten. Sie können also meinen Freunden sagen, daß ihres Freundes Galiani Ehre nicht bedroht ist. Geld und Würde sind überaus große Annehmlichkeiten, aber man muß auch die Ehre für etwas rechnen; denn sie ruft ein gewisses angenehmes Jucken hervor, das man sehr gut »Tugendkitzel« nennen könnte...

Ich ließ durch den Fürsten Pignatelli meinen lieben Freund Schomberg grüßen. Wenn er über meine Abwesenheit jammert, so fluche ich wie ein Grenadier über die seine. Er ist eben Militär, ich bin Abbé. Um mich zu trösten, lese ich von Herrn de Silva die »Gedanken über die Taktik«; er verlängert die Bajonette und verkürzt die Gewehre, um mehr Erfolg im Kriege zu haben, wie die Jesuiten das Credo verlängerten und die zehn Gebote verkürzten, um besser in der Welt durchzukommen; und dann plaudere ich über das Gelesene mit meinem lieben Schomberg, der mich nicht hört. Ja, Himmeldonnerwetter noch mal! ich komme wieder, und sollte ich alles opfern: Ich kann nicht wo anders leben, und es ist wahrhaftig einerlei, ob man vor Kälte in Paris oder vor Langeweile in Neapel stirbt.

Haben Sie mich lieb! Ich verdiene es. Grüßen Sie vielmals all meine Freunde von mir; aber ich habe nicht den Mut, sie Ihnen zu nennen und sie vor meinem Geist vorbeispazieren zu lassen; denn dann müßte ich mich aus dem Fenster stürzen, und die Wohnungen liegen hier sehr hoch. Sagen Sie nichts der Baronin, denn ich verabscheue sie. Sie liebt ihr Pferd mehr als mich, obgleich ich sie niemals hintenüber geworfen habe. Leben Sie wohl!


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