Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[172] An Frau von Epinay

Neapel, den 10. Mai 1777

Sie haben also wirklich geglaubt, daß ich mich wirklich ärgern würde, weil Sie mich Ungeheuer, Undankbarer und alles mögliche usw. titulieren: Sie irren sich. Mir sind alle Leidenschaften gleich. Nur die Gleichgültigkeit bringt mich um. Die Ausbrüche des Zorns, der Wut, der Wonne machen mir Spaß: all das ist Liebe. Ärgern Sie sich, nur haben Sie mich lieb. Das ist das Gesetz und die Propheten. Unter den angenehmen Nachrichten befindet sich auch die, daß Herr Necker Sie bald ins Armenspital schicken wird: dies ist wahrhaftig sehr erfreulich. Sie werden wissen, daß die Venetianer durch den wirklichen Bankrott ihrer Spitäler beinah auch den guten Baron von Gleichen bankrott gemacht haben.

Was mich betrifft, so werden meine Nichten allein die Ehre haben, mich ins Spital zu bringen. Nur ist es noch nicht entschieden, ob sie mich in ein Tollhaus, oder in ein Armenhaus, oder in beide stecken werden. Bei dieser Gelegenheit bemerke ich Ihnen, daß ich augenblicklich bis zum non plus ultra in Geschäften stecke, da ich den Ehevertrag meiner dritten und letzten Nichte in Ordnung zu bringen habe. Sie war sehr schwer anzubringen, weil sie häßlich und bucklig ist. Doch verheirate ich sie endlich und bringe sie los; gestehen Sie zu, daß ich ein schrecklicher Verheirater bin. Wollen Sie, daß ich eine Heirat für Frau Geoffrin oder für Frau de la Ferté-Imbault aushecke? Sie dürfen es nur sagen, und ich werde eine ganz passable zustande bringen und auch die Kraft haben, sie vertragsmäßig zu regeln. Ich bin in dieser Hinsicht berühmt und gefürchtet, und das verleiht mir ein Ansehen und eine Hochachtung, die Sie sich nicht vorstellen können. Meine armen Neapolitaner wissen gar nicht, daß ich Bücher veröffentlicht habe, und wenn Sie es wüßten, wäre es ihnen gänzlich gleichgültig. Aber sie wissen, daß ich zwei Nichten angebracht habe und im Begriffe bin, die dritte zu expedieren, nachdem ich die Witwe meines Bruders wiederverheiratet habe, und diese vier Heiraten erscheinen ihnen als die unglaublichste, wunderbarste Sache von der Welt. Wenn das so fortgeht, wird man klatschen, wenn ich im Theater in meiner Loge erscheine.

Andere Bemerkung. Freuen Sie sich mit mir darüber, daß der König (das heißt der Minister) soeben meinen Ämtern das des Vorsitzenden der Domänenverwaltung hinzugefügt hat; wir nennen diese die Allodialkammer. Es ist ein Amt mehr, das meine Autorität vermehrt, mir etwas mehr zu tun gibt, nichts trägt, aber auf dem Wege zu einem höhern Einkommen liegt, und darum macht es mir Vergnügen. Ich bin habgierig geworden, ohne geiziger zu sein; im Gegenteil, ich gebe mehr denn je aus.

Das sind meine Neuigkeiten. Adieu. Sprechen Sie mir stets von Piccini und niemals von den Perücken des Herrn Polizeileutnants.


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