Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[146] An Frau von Epinay

Neapel, den 14. Juni 1774

Seien Sie nicht böse, schöne Frau, wenn ich Ihnen sage, daß Ihre Nr. 78 erhaben ist. Sie ist sehr alltäglich, werden Sie mir entgegnen, denn sie enthält nur kleine Neuigkeiten von Ankünften und Abreisen. Nun, zählen Sie das für nichts? Das sind Tatsachen, und die Tatsachen sind für mich immer erhaben. Aber sie enthält keine Kommentare, setzen Sie hinzu. Man wird sie machen, Madame, über die Tatsachen; zweifeln Sie nicht daran. Füllen Sie also Ihre Briefe mit Tatsachen an, und Sie erfüllen alle meine Wünsche. Ich meinerseits würde ebenso handeln, wenn unsere Tatsachen Ihnen bekannt sein könnten.

Da haben Sie übrigens eine ganz passende: heute früh hat die französische Fregatte, die Ihnen, zu unserm großen Bedauern, Herrn von Breteuil und seine Tochter zurückbringen wird, die Anker gelichtet; um Mittag haben wir sie aus den Augen verloren. Er könnte zu gleicher Zeit mit meinem Brief bei Ihnen eintreffen. Es gibt keinen einzigen Franzosen, der von den Neapolitanern mehr geliebt, mehr geachtet, mehr bedauert worden wäre. Darüber herrscht nur eine Stimme und eine Meinung. Der König, die Königin und das ganze Volk vermissen ihn und sind untröstlich über seine Abreise. Ein einziger Mann ist nicht betrübt darüber; aber der ist kein Neapolitaner. Wenn ihr nicht die heilige Irene und St. Remi hättet, würde ich behaupten, der heilige Breteuil sei der erste Apostel Frankreichs, wenigstens für Neapel. Seine Amtszeit wird denkwürdig sein wegen der Wandlungen in unsern Sitten und in unserm Geschmack. Unter seinem Apostolat haben wir den Geschmack am französischen Theater und an ernsten schicklichen Balletten erworben. Aufresne und Herr von Picque werden in der Geschichte der Revolution der Sitten denkwürdig bleiben. Ihr Einfluß hat sich, mehr als man glaubt, auf alles erstreckt: Voltaire und Diderot sind besser bekannt geworden, und diese Herren werden das übrige tun...

Umarmen Sie für mich den Revenant aus weiter Ferne. Wenn er die kalte hyperboreische Größe satt hat, so wird dies das beste sein, was er von seiner Reise heimbringt. In Paris wachsen die Philosophen in freier Luft; in Stockholm und Petersburg nur in den Gewächshäusern; in Neapel zieht man sie unter dem Mist, denn das Klima ist ihnen nicht günstig. Leben Sie wohl.


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