Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[125] An Frau von Epinay

Neapel, den 3. Juli 1773

Sie haben mich früher, als ich's erwartete, aus der Ungewißheit befreit. Es gibt Dinge, die man zu erfahren sucht und die man doch so spät wie möglich erfahren möchte. So z. B. die Hahnreischaft und den Namen Ihrer Krankheit. Er klingt häßlich in allen Sprachen. Wenn Sie ein Mann wären, ich hätte einen Todesschreck bekommen; aber Sie sind eine Frau, und Frauen halten an Krankheiten viel mehr aus und werden doch noch wieder gesund. In dieser Erwägung schöpfe ich wieder Mut und werde warten.

Nur Magallons Verlust scheint mir für Sie so unersetzlich zu sein wie der Verlust meiner Person; bei den andern handelt es sich nur um zeitweilige Abwesenheit, und Sie täten unrecht, sich darob zu betrüben.

Ich möchte Ihnen heute abend recht lang schreiben, aber denken Sie sich, was mir begegnet! Ein hiesiger Freund von mir hat einen Brief vom päpstlichen Nuntius in Warschau erhalten. Er schreibt ihm, Seine Allerpolnischste Majestät verbringe, um sich zu entlangweilen – und das hat sie sehr nötig – ihre Zeit damit, eine ihr vor kurzem gesandte Sammlung von Briefen von mir an meine Freunde in Frankreich zu lesen; und er sei so gütig und diskret gewesen, diese Briefe dem Nuntius Seiner Heiligkeit mitzuteilen.

Etwas so Sonderbares und Unerwartetes ist mir noch nie passiert. Meine Briefe in Warschau! Meine Briefe einem Nuntius nicht des Reichstags, sondern des Papstes mitgeteilt! Ich habe wohl kaum Briefe geschrieben, die dazu angetan sind, päpstlichen Nuntien gezeigt zu werden. Was ist denn das? Welche Briefe hat man ihm geschickt? Wer konnte so unbesonnen sein, auf die Diskretion eines Herrschers zu rechnen, und noch dazu eines Herrschers, der nicht für den Thron geboren wurde? Ich habe allerdings gewünscht, daß meine Briefe einigen Freunden gezeigt wurden, aber ich habe zu meinen Freunden niemals Könige oder Nuntien gezählt. Niemals habe ich eingewilligt, von meinen Briefen Abschriften herstellen zu lassen. Bitte, befreien Sie mich aus dieser Ungewißheit, die mich in noch größere Verlegenheit bringt als Sie Ihre »eingekapselte Bauchwassersucht«!

Welche Briefe hat er bekommen? Sind sie überhaupt von mir? Hat man sie mir nur zugeschrieben? Zunächst verleugne ich sie alle. Wenn Sie einer Indiskretion schuldig sind, müssen Sie doch fürchten, daß ich Ihre Briefe fortschicke, um mich zu rächen. Ich sehe wohl, Sie halten mich einer Niederträchtigkeit nicht fähig, und ich halte Sie einer Indiskretion nicht fähig. Es ist jedoch Tatsache, daß er, dieser Herr Monarch, Abschrift von meinen Briefen zu haben glaubt, an denen er sich mehr ergötzt als an den Manifesten der drei Teilungsmächte. Noch einmal: sagen Sie mir, was ist an dieser Geschichte daran, die weiter nichts bezweckt, als daß sie meine Spannkraft, meine Freiheit, meine Offenherzigkeit, die heitre Laune meiner Briefe völlig vernichtet und vor allem das Vertrauen, womit ich Ihnen jederzeit schrieb, was ich sonst nur an Ihrem Kamin zu sagen gewagt hätte.

Für die nächste Zeit erwarten Sie von mir nichts als Redensarten, die keinem Nuntius ein Ärgernis bereiten können. Daher werde ich Ihnen also nicht sagen, daß ich Sie liebe; denn Sie sind Weib, ich bin Abbé, und die Wassersucht hat damit nichts zu tun. Ich muß Ihnen kurz und respektvoll sagen, daß ich die Ehre habe, gnädige Frau, in aller Ehrfurcht zu sein Ihr untertänigster und gehorsamster Diener.


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