Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[148] An Frau von Epinay

Neapel, den 3. September 1774

Da ich, schöne Frau, noch einmal von meinem Kattun sprechen muß, lege ich Ihnen, mit dem Zeichen 1, ein Muster des Zeugs bei, das Sie mir geschickt haben. Sie brauchen es nur anzusehen, um mir zuzugeben, daß niemals ein Mann sich daraus hat Hemden machen lassen. Das gäbe anständige Schiffssegel.

Folgt ferner, mit dem Zeichen 2, das Muster des Zeugs, das ich trage; es ist von einem meiner alten Hemden abgeschnitten. Die Qualität ist ungefähr die gleiche wie die, die Sie mir für 4 Livres 15 Sous angegeben haben, und dies ist genau der Preis, den ich Ihnen bezeichnet hatte, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt; denn ich erinnere mich, Ihnen geschrieben zu haben, daß er etwas unter hundert Sous betrage.

An dritter Stelle sende ich Ihnen das mit E 10 gezeichnete Muster, das Sie mir als für 3 Livres 15 Sous käuflich angegeben hatten. Ich hätte nichts gesagt, wenn ich einen Stoff von dieser Güte bekommen hätte; denn obgleich er nicht aussieht, als ob er von längerer Dauer wäre, hätte ich wenigstens Winterhemden gehabt. Um heute das unglaubliche Vorkommnis zu erklären, müssen wir sagen, daß, durch eine Infamie, die auf die Korruption der einst so sehr gerühmten Zuverlässigkeit der französischen Kaufleute schließen läßt, das Stück in dem Augenblick vertauscht worden ist, da Sie es versiegelten: denn es trug Ihr Siegel, und die Bücher waren darin; und wenn ich Ihnen nichts davon gesagt habe, so geschah es deswegen, weil mich diese Geschichte wütend machte und heut noch macht, so oft ich daran denke. Sprechen wir also nicht mehr davon.

Die Nachrichten aus Karlsbad sind mein Entzücken; sie stimmen nicht nur mit meinen Wünschen, sondern auch mit meinen Berechnungen und Prophezeiungen überein. Nun aber wissen Sie, daß der Geistesstolz mächtiger ist in uns als die Herzensbefriedigung, und daß infolgedessen der Mensch mehr geschmeichelt ist, wenn er ein Unglück errät, das später eintrifft, als wenn er sich getäuscht und es vermieden hat. Entsetzliche Beschaffenheit des Menschen, die Ursache ist, daß ein Arzt seinen Freund zu töten vermag, um keinen Widerspruch zu erfahren, und daß ein General absichtlich eine Schlacht verliert, die gegen seinen Willen unternommen wurde, usw.! Glücklicherweise hatte ich mir diesmal selbst gesagt, daß der Reisende beim Betreten des heimatlichen Bodens gesunden würde. Also bin ich vollkommen zufrieden.

Caraccioli ist in Sorrent. Ich habe just zwei von meinen drei Nichten verheiratet. Die dritte, die bucklig ist, wird viel schwieriger zu verkaufen sein. Wenn ich Ihr Tuchhändler wäre, könnte ich sie gegen die zweite vertauschen, die ich eben verheiratet habe und die hübsch ist. Sie sehen, ich mache es wie der Advokat Pathelin; ich komme immer wieder auf meine Hammel zurück; lassen wir das.

Sie können sich denken, bis zu welchem Grad die Sorge um diese beiden Heiraten auf mir lastet, da ich allein in einem Lande stehe, wo man nichts fertig bringt und wo man stets darauf gefaßt sein muß, Überraschungen zu gewärtigen oder mit Tuchhändlern zu unterhandeln. Da bin ich wieder bei meinen Hammeln.

Also, lassen Sie sich's gut gehen! Umarmen Sie mir den Reisenden, den ältesten der Revenants. Ah, wie mich sein Beispiel freut! Warten Sie nur, bis ich das Weibszeug aus meinem Haus hinausgefegt habe! Leben Sie wohl.

Aber ich bitte, sehen Sie sich doch diesen Kattun an: ist er nicht scheußlich? Pfui, du schuftiger Dieb! Leben Sie wohl.


 << zurück weiter >>