Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[22] An Frau von Epinay

Neapel, den 2. Juni 1770

Meine schöne Dame,

Ihre Briefe kommen vorschriftsmäßig; die meinen sollen ebenso pünktlich sein. Der letzte bringt mir eine andere Salve von Ephemeriden der Citoyens rustres oder, wenn Sie wollen, ruraux. Ich versichere Ihnen, der Merlin ganz allein macht mir mehr Qual, als alle Ökonomisten zusammen. Dieser Merlin ist mein Abbé Terray. Er macht mir bange um meine Kontrakte. Um Gotteswillen, befreien Sie mich von ihm und wenn ich auch etwas Verlust daran haben soll; ziehen Sie Ihre Auslagen ab und schicken Sie in einem schönen Bankwechsel den Überschuß...

Der Baron Gleichen macht sich köstliche Vorstellungen von den Freuden, die er durch meine Gesellschaft hier haben wird. Ich muß unwillkürlich schon im voraus über die Überraschung lachen, die ihm bevorsteht, wenn er sieht, daß ich bis zur Unkenntlichkeit verändert bin und daß meine Gesellschaft zu gar nichts nutze ist. Die Pflanzen verändern ihre Natur, wenn sie in anderen Boden versetzt werden, und ich war eine Pariser Pflanze...

Ein Wort über die Ephemeriden. Wissen Sie, daß ich allen Ernstes entzückt bin über die Art, wie man mich behandelt? Ich habe schon den Vorzug der groben Injurien. Diese Ehre wurde nur Voltaire von den Hunden des Sankt Medardus zuteil. Ich erhalte sie von den Hunden des Luxembourg. Dieser alte Teil der guten Stadt Paris ist das Viertel der Äbte und Hunde. Freilich ist zwischen mir und Voltaire keine andere Ähnlichkeit, als daß wir alle beide von Paris abwesend sind; aber ebenso wahr ist es, daß zwischen den Jansenisten und den Ökonomisten ein großer Unterschied ist. Alle beide schreien und bellen; aber jene zählten einen Arnaud, einen Pascal zu ihren Gründern; diese haben nur Leute wie Quesnay. Nun, ich sehe, die Regierung wünscht einen Stierkampf für die Literaten, wie an der Barriere von Sèves einer für den Pariser Pöbel stattfindet. Vortrefflich! Her mit den Hunden, wir wollen der Stier sein! Und der Abbé Morellet, der arme Abbé, mein lieber Abbé, der mir so teuer war! Was wird er denn nur machen in diesem lustigen Hourvari? Will er der Bulldogg sein? Sicherlich wird er es mit den Ephemeriden nicht aufnehmen. Er wird mir nicht so grobe Beleidigungen sagen. Er wird nicht so geläufig Unsinn reden. Er wird nicht so flaches Zeug schreiben. Er wird meine Reden und Ideen nicht so gut entstellen wie sie. Er wird also in allem minderwertiger sein als sie, er wird nicht einmal im Schlechten ausgezeichnet sein. Warum also schreibt er ein Buch?

Was Sie mir von den Satiren mitteilen, die gegen mich veröffentlicht worden sind, bestimmt mich, nichts darauf zu antworten. Ich will diesen Herren die allergrößte Qual bereiten, nämlich so tun, als ob ich sie nicht gelesen hätte. Ich werde des Vorrechtes der Toten genießen.

Umarmen Sie tausendmal meinen lieben Marmontel. Wird er euch nicht aus meinem Dialog eine Erzählung machen, betitelt »Der Agrarphilosoph und sein Pächter«? Er braucht nur den Kontrast zwischen Theorie und Praxis ins rechte Licht zu rücken, so wird eine ausgezeichnete Geschichte daraus werden.

Mademoiselle Clairon hat eine Unschicklichkeit begangen, und ich bin betrübt darüber! Es ist unschicklich, über das lange Leben alter Leute ungeduldig zu werden. In China wäre sie amtlich getadelt worden. Wenn sie besser spielt als die Dumesnil, so hat sie eine Grausamkeit, wenn sie weniger gut spielt, eine Dummheit begangen ...


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