Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[158] An Frau von Epinay

Neapel, den 13. April 1776

Ich habe vergangene Woche nicht auf Ihren reizenden Brief geantwortet, weil es Karsamstag war, ein Tag, der den Besuchen gehört, die wir buona pasqua nennen und die man ebenso pünktlich erledigen muß wie die Neujahrsbesuche zu Paris. Diese Woche erwarte ich mit äußerster Ungeduld Ihre Neuigkeiten über das königliche Gerichtslager und über die Folgen der Aufhebung der Zünfte, die ich mir schrecklich und unheilvoll vorstellte; aber ich habe mich vielleicht getäuscht, und der Abbe Morellet wird recht haben.

Sie haben mir nicht geschrieben, und nun tappe ich gänzlich im Dunklen. Da ich Ihnen aber, wie nun. die Sache ausfallen möge, niemals meine Ansicht über die Maßregeln Turgots mitgeteilt habe, mag sie hier ganz einfach und naiv stehen. Ich zolle der Aufhebung der Frondienste und der dafür eingeführten Steuer im allgemeinen meinen Beifall; aber ich hätte gewünscht, daß man viel strengere Maßregeln ergriffen hätte, um sicher zu gehen, daß das Geld, welches durch die Grundsteuer eingeht, niemals für etwas anderes als Wegebauten verwendet würde. Ohne große Vorsichtsmaßregeln in dieser Hinsicht wird man beim ersten besten Krieg und vielleicht selbst in Friedenszeiten durch einen anderen Generalkontrolleur die Bedürfnisse des Staates vorschützen, um diese Eingänge in anderer Weise zu verwenden, und ihr werdet keine Straßen haben: denn man wird die Bauern nicht mehr zu Straßenfron zwingen können und kein Geld haben, um sie instandzuhalten.

Was die Aufhebung des Zunfteides anbelangt, so sage ich's allen Modeschwätzern und Ökonomisten ins Gesicht, daß sie eine Dummheit, ein Fehler, ein Blödsinn ist. Mann kennt die Menschen nicht: Conamur in vetitum. Je schwieriger, mühseliger, teurer eine Sache ist, desto mehr Liebe, Anhänglichkeit, Begeisterung bringen ihr die Menschen entgegen. Die strengsten religiösen Orden haben die meisten großen Männer hervorgebracht. Wenn Sie die Ordensregeln der Väter von Saint-Maur oder der Jesuiten leicht und bequem machen, so ist es um den Orden geschehen; daher bin ich überzeugt, daß Herr Turgot den französischen Gewerben den Todesstreich versetzt hat. Die geschickten Künstler werden zum Teil auswandern, andere werden nachlässig werden, und anstatt den Wetteifer zu fördern, wird er alle wirklichen Triebfedern des menschlichen Herzens gebrochen haben. Das ist meine Meinung.

Seit einem Monat habe ich keine Nachricht von dem Reisenden; aber er ist so faul! Ich bin entzückt, daß Ihre Gesundheit Fortschritte macht. Mir würde es ganz gut gehen, wenn mir nicht der Verlust einer Katze Kummer verursacht hätte. Sie können sich gar nicht denken, wie sehr es mich ärgert, daß ich den vernünftigsten meiner hiesigen Freunde verloren habe...


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