Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[122] An Frau von Epinay

Neapel, den 5. Juni 1772

Sie wissen doch, meine schöne Dame, daß unser Briefwechsel gedruckt werden wird, wenn wir beide tot sind. Welches Vergnügen für uns! Welchen Spaß uns das machen wird! Ich gebe mir die allergrößte Mühe, daß meine Briefe besser werden als die Ihrigen, und ich beginne schon, mir mit der Hoffnung zu schmeicheln, daß es mir gelingen wird. An Ihren Briefen wird man eine etwas allzu eintönige Freundschaft bemerken. Immer zart, immer liebkosend, immer zärtlich, immer beifallspendend. Die meinigen dagegen werden eine reizende Abwechslung aufweisen: manchmal sage ich Ihnen Beleidigungen, manchmal Sarkasmen; ich bin in einer Hundelaune, und zuweilen beende ich sogar einen Brief in einem ganz andern Ton, als ich ihn begonnen hatte; und dabei bin ich immer gesund. Hierauf beruht vor allen Dingen meine große Überlegenheit. Denn z. B. Ihre letzten vier Nummern, was für eine klägliche Figur werden die nicht in der Sammlung spielen? Bewundern Sie also meine Geschicklichkeit, wenn ich Ihnen bisweilen Beleidigungen sage, und lassen Sie sich's gut gehen, wäre es auch nur wegen des Erfolges unserer Sammlung. Trachten Sie, mir schnell mitteilen zu können, daß Sie nicht mehr verstopft sind; sonst bekomme ich eine Verstopfung im Kopf und kann Ihnen nichts mehr sagen.

Ich sandte dem Papst als Geschenk die geographische Karte des Königreichs Neapel, die ich in Paris stechen ließ; er hat mir in einem lateinischen Breve mit den pomphaftesten und schmeichelhaftesten Ausdrücken dafür gedankt. Eine goldene Medaille wäre mir jedoch lieber gewesen; sie nimmt sich besser aus in dem Vermögensverzeichnis eines Literaten.

Chastellux ist vor drei Tagen abgereist. Er hat sich in Neapel amüsiert, indem er niemals mit einem Neapolitaner zusammenkam. In gleicher Weise amüsiert man sich in Pera, wenn man sagt, man habe Konstantinopel gesehen. Übrigens hat er viele Beobachtungen gemacht, die er nach seiner Rückkehr Ihnen mitteilen wird.

Pignatelli wird bald abreisen; er wird hier viel Musik abschreiben lassen, besonders Piccinische, die er Ihnen dann mitteilen kann; wir haben dies untereinander abgemacht. Unterlassen Sie ja nicht, mir über den Philosophen zu schreiben, was Sie erfahren; wie Sie wissen, bin ich sehr besorgt um ihn...

Leben Sie wohl; behalten Sie mich lieb. Entschuldigen Sie meine Beleidigungen; genehmigen Sie die Versicherungen einer Freundschaft, von der die Weltgeschichte sprechen würde, wenn sie von etwas anderem als von Dummheiten und von Leiden der Menschheit spräche. Nochmals: Leben Sie wohl.


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