Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[118] An den Baron von Gleichen

Neapel, den 3. April 1773

Mein lieber Baron,

wie liebenswürdig von Ihnen, daß Sie daran denken, mir zu schreiben, und nun gar von Chanteloup; aber sollte nicht etwa der Herzog selber Sie auf den Gedanken gebracht haben? Ich möchte wetten, er hat zu Ihnen gesagt: »Haben Sie was von unserm kleinen Abbé gehört? Man sagt, er langweile sich sehr in Neapel. Das tut mir leid, aber er ist selber schuld: Er hatte viel Geist, aber er benahm sich nicht richtig; zu den Geschäften taugte er nicht.« Hierauf wird eine Pirouette gemacht und das Gespräch auf etwas andres gebracht, andre Fragen an Sie gerichtet haben, ohne Ihnen zur Beantwortung der ersten Zeit zu lassen. Ich bitte den Herrn Herzog um Verzeihung, aber er irrt sich. Der einzige Fehler, den ich begangen habe, ist der, den ich nicht gemacht habe: nämlich als Neapolitaner geboren zu werden; ebenso wie das Beste, was er getan hat, gerade das ist, was er nicht getan hat, nämlich als ein Franzose geboren zu werden und als ein Choiseul. Mit Aufbietung alles meines Geistes hätte ich doch nur ein einziges Jahr länger in Paris bleiben können, nämlich bis zu Castromontes Tod. Also würde ich mich mindestens schon seit drei Jahren langweilen, anstatt daß es jetzt vier sind. Dies lohnte nicht der Mühe, darum meine Pflicht zu verletzen.

Sie entwerfen mir ein wahrheitsgetreues Gemälde von Chanteloup: es beweist, wie tief sich bei einem Volk die Unterwürfigkeit einwurzeln kann – so tief, daß jede Eifersucht im Herzen des Herrschers erlischt. Um so besser für Völker und Herrscher; da man doch einmal Untertan sein muß, so ist es besser, man ist es ganz. Mein Zustand hier ist immer der gleiche. Ich lebe mit fremden Bekanntschaften, die ich im Fluge erhasche...

Was sagt man in Chanteloup zu der tödlichen Unentschlossenheit, die unsern armen Freund Gatti befallen hat? Ich fürchte für seine körperliche und geistige Gesundheit. Wenn er nur nicht ganz und gar wahnsinnig wird!

Wenn Sie sich noch mit meinem Glück beschäftigen, warum denken Sie nicht allen Ernstes daran, mir ein paar Angorakatzen zu schicken? Sind Sie etwa durch den Verkehr im Luxemburg vom Gift der Ökonomisten angesteckt und fürchten Sie etwa in mir einen Inquisitor des Heiligen Offiziums zu finden? Benehmen Sie ihnen diese irrige Meinung: Inquisitoren und Katzen sind immer im Bunde gestanden, und haben sich gegenseitig als Muster gedient. Ich erhielt aus Siena eine eingehende Schilderung der reichlichen Lobsprüche über mich, die Sie anzuhören hatten, als Sie vor zweieinhalb Jahren dort durchreisten. Eine Dame, die viel von mir hält, hörte sie mit Vergnügen an und teilt es mir jetzt mit. Sie sehen also, schließlich erfährt man doch alles, entweder auf dieser Welt oder spätestens im Tale Josaphat. Also nehmen Sie sich wohl in acht mit Ihrem Verhalten mir gegenüber! Denn wenn Sie mir noch einmal einen Streich spielen, wenn Sie es wagen, wenn Sie das Herz dazu haben, so fühle ich, ich werde endlich.... ja, ich werde endlich Sie noch mehr lieben und werde damit ein Paroli gewonnen haben. Leben Sie wohl, lieber Baron. Tausend Grüße meinen Freunden. Ich glaube noch, welche zu haben, denn meine Liebe zu ihnen hat sich nicht abgekühlt; da ist Madame Necker und ihre Gesellschaft, da ist Fräulein de Lespinasse; aber ich hätte zuerst Madame Geoffrin und Madame de la Ferté-Imbault nennen sollen. Vergessen Sie nicht, mir mitzuteilen, ob Sie den Brief erhielten, den ich Ihnen nach Montpellier schrieb. Das häufige Verlorengehen der Briefe beunruhigt einen ein bißchen. Leben Sie wohl.


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