Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[149] An Frau von Epinay

Neapel, den 24. September 1774

... Gott bewahre euch vor der Preßfreiheit, die durch Edikt gewährleistet ist. Nichts trägt mehr dazu bei, eine Nation zu verrohen, den Geschmack zu zerstören, die Beredsamkeit und jede Art von Geist zu verderben. Kennen Sie meine Definition des rhetorisch Erhabenen? Es ist die Kunst, alles zu sagen, ohne in die Bastille gesteckt zu werden, in einem Land, wo es verboten ist, überhaupt etwas zu sagen. Wenn man der Redefreiheit Tür und Tor öffnet, bekommt man anstatt der rhetorischen Meisterwerke der Parlamentsbeschwerden die folgenden Parlamentsäußerungen zu hören: Majestät, Sie sind ein Hanswurst! Und anstatt der zweideutigen Meisterwerke des Jüngern Crebillon kann man erleben, daß in einem Roman ein Liebender zu seiner Dame sagt: Fräulein, ich möchte Sie.... Pfui Teufel!

Der Zwang der Schicklichkeit und die Einschnürung der Presse sind die Ursachen der Vollkommenheit des Geistes, des Geschmacks und der Formen bei den Franzosen geworden. Bewahrt alle beide, oder ihr seid verloren. Eine gemäßigte Freiheit ist gut: man genießt ihrer schon. Sie muß tatsächlich vorhanden sein und nur auf den persönlichen Tugenden des toleranten, hochherzigen Ministers beruhen. Dadurch wird der Minister, der verzeiht, wenn er strafen könnte, beliebter. Wenn ihr die Freiheit durch ein Edikt gewährt, würde man dem Minister nicht den mindesten Dank dafür wissen; und man wird ihn beleidigen, wie es in London geschieht. Die Nation wird ebenso ungeschliffen wie die englische, und der Ehrenpunkt (die Ehre ist der Eckstein der Monarchie) wird darunter leiden. Ihr werdet ebenso grobschlächtig wie die Engländer werden, ohne so robust zu sein; ihr werdet ebenso verrückt, aber viel weniger tief in eurer Narrheit sein. Guten Abend!

Ich bin entzückt, daß der Chevalier de Clermont hierherkommen soll; nichts war mehr geeignet, mir den Verlust des Herrn von Breteuil zu ersetzen. Seine Frau geht mich nichts an. Ich habe keine Zähne für solche knusprigen Dinger. Sie wird hier nach Belieben schmollen können; aber er ist mein bester Freund, und ich liebe ihn so zärtlich, daß ich es als ein wirkliches Glück für mich erachte, ihn hier zu haben; machen Sie, daß er es durch Herrn von Sartine erfährt.


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