Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[30] An den Baron von Holbach

Neapel, den 21. Juli 1770

Guten Tag, mein lieber Baron.

... Ich habe das Système de la Nature gelesen; es ist die Grenzlinie, wo die Traurigkeit der düstern und trockenen Wahrheit endet; jenseits davon beginnt die Heiterkeit des Romans. Man kann nichts besseres tun, als zur Überzeugung gelangen, daß die Würfel gefälscht sind. Dieser Gedanke gebiert tausend andere, und eine neue Welt entsteht. Dieser Herr Mirabaud ist ein wahrer Abbé Terray der Metaphysik. Er macht Abzüge, stellt Zahlungen ein und verursacht damit den Bankerott des Wissens, des Vergnügens und des menschlichen Geistes. Aber Sie werden mir sagen: es waren ja auch zu viel wertlose »Werte« vorhanden; man war zu sehr verschuldet, es waren zu viel unsichere Papiere im Umlauf. Auch das ist wahr, und darum ist eben die Krisis eingetreten. Ich würde sehr gern die Redierches philosophiques sur les Américains lesen. Sie können sie mir schicken, es ist völlig sicher. Man prüft hier keine ankommenden Bücher, man ist vollkommen überzeugt, daß niemand sie lesen werde.

Leben Sie wohl, mein lieber Baron. Schreiben Sie mir lange Briefe, damit das Vergnügen daran um so größer sei. Umarmen Sie recht lange die Baronin, und seien Sie langmütig in allem was Sie tun, in allem was Sie dulden, in allem was Sie hoffen. Die Langmut ist eine schöne Tugend: sie ist es, die mich hoffen läßt, daß ich noch einmal Paris wiedersehen werde. Leben Sie wohl.


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