Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[186] An Frau von Epinay

Neapel, den 22. Juli 1780

Wenn Sie in Betracht ziehen, teure Frau, wie sehr die Liebe ihrer Natur nach ängstlich ist, und daß die Furcht uns stets an das Traurigste denken läßt, werden Sie leicht begreifen, daß Ihr verzweifelter Brief vom 3. mich mit Mitleid erfüllt hat. Sie haben nicht mehr die Kraft zum Diktieren, aber Sie zwingen sich mit Gewalt dazu. Wohlan denn, vertrauen wir auf diese Geisteskraft. Es ist wohl wahr, daß die Seele etwas vom Körper Verschiedenes ist: aber es ist wie der Unterschied zwischen Rahm und Milch, zwischen dem Schaum und der Masse der Schokolade, zwischen dem Schnaps und dem Wein: die Essenz des Körpers wird Geist, und da Ihr Körper noch einen so mächtigen Geist erzeugt, schließe ich, daß er nicht ganz zerstört ist.

Verflucht seien die Amerikaner, die Kriege, die Flotten und Finanzabkommen, die mir einen so guten und liebenswürdigen Sekretär geraubt haben.

Ich beklage Herrn Necker, ohne ihm zu fluchen. Da er gezwungen ist, Taschenspieler zu sein, muß er glauben machen, daß er keine Steuern ausgeschrieben hat. Aber ohne Steuern kein Geld. Alles, was uns drückt, ist eine Steuer, und jedes Gewicht, das am Ende eines Jahres auf ein Hundertstel der Untertanen fällt, ist eine allgemeine Steuer. Nach Verlauf dieser Zeit verschwindet die Illusion, der Taschenspieler wird durchschaut, und ein Mann, der uns ein Engel oder ein Alchemist usw. zu sein schien, wird zu einem Manne ohne den Stein der Weisen, ohne Bewunderer und, was schlimmer ist, ohne häufig den gerechten, vernünftigen Männern zu begegnen, die ihm nicht ein Verbrechen daraus machen, daß er nicht das Unmögliche zuwege gebracht habe. Die Ehre Neckers erfordert baldmöglichsten Frieden. Diejenigen, die glaubten, man könne England verspeisen, werden wenigstens zugestanden haben, daß der Brocken zu hart ist. Glücklich die Franzosen, wenn diese Erfahrung ihnen bewiesen hat, daß es genügt, wenn ihr König der Jupiter Europas ist; dies hindert nicht, daß ein anderer sein Neptun, ein dritter sein Pluto, ein vierter Mars, eine fünfte Cybele sei, und daß es im Olymp eine Menge kleiner Götter und Halbgöttinnen gebe. Führen wir die Vielgötterei um des Friedens willen wieder ein. Sie haben recht; die Zeit hat nichts über Sie vermocht, und wenn ich diese verabscheuungswürdige Lästerung ausgestoßen hätte, verdiente ich die Peitsche; aber ich dachte an Grimm, an Holbach und manche andere, als ich diesen traurigen Gedanken aussprach. Sie glauben den Strohstuhl zu rechtfertigen, indem Sie mir sagen, er habe viel zu tun. Aber ich bin ebenfalls ein Geschäft für ihn. Warum beschäftigt er sich nicht auch damit, mir zu schreiben? Sind alle seine Geschäfte wichtiger als zuweilen ein Brief an mich? Gestehen Sie, es ist unverzeihlich...


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