Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[9] An Frau von Epinay

Neapel, 18. Dezember 1769

Madame,

... Ist's möglich, daß der beste der Menschen, der würdigste Beamte, der Weltmann, der mich am meisten liebt und den ich am meisten liebe und achte, mit einem Wort: daß Herr von Sartine leichten Herzens mich und mit mir einen ehrenhaften Buchhändler zugrunde richten will? Hätten Sie das geglaubt, Madame? Hätte man glauben sollen, daß das einzige Buch in respektvollem Ton, das bis jetzt über das Gebiet der Verwaltung geschrieben worden ist, auf soviel Schwierigkeiten stoßen würde, während man doch das Erscheinen der blutigsten (und zugleich langweiligsten) Satiren erlaubt? Ich bin froh, Madame, daß Sie einmal mit einer meiner Angelegenheiten zu tun gehabt haben, damit Sie sehen, wie unglücklich man sein kann, ohne es verdient zu haben. Möge der Baron mir jetzt sagen, daß die Würfel nicht gefälscht sind! so faselt er. Wenn alles vom Zufall regiert würde, so wäre keine Ungerechtigkeit in der Welt. Nichts ist so gerecht wie der Zufall. Es liegt in seiner innersten Natur, gerecht zu sein. Er fällt nach rechts, nach links, immer parteilos, immer gleichgültig, immer gleichmäßig, immer ausgeglichen, aber die Würfel sind gefälscht, und da liegt der Has im Pfeffer! Legen Sie dem Baron diese Schwierigkeiten vor und bringen Sie ihn zum Schweigen! Keine Ungerechtigkeit geschieht, wenn das Spiel ehrlich und ohne Schikane ist.

Ich schreibe Ihnen in einer hundsschlechten Laune, und daran ist ganz allein Herr von Sartine schuld. Ich würde mich leicht über alles trösten, wenn mein nachgeborenes Kind glücklich wäre. Machen Sie ihm die sanftesten, aber auch bittersten Vorwürfe. Beißen Sie ihn, kneifen Sie ihn, kratzen Sie ihn, um ihm Vernunft beizubringen. Was hat er davon, wenn er mich zugrunde richtet? Kann er mich hindern, das Werk in Holland oder sogar hier drucken zu lassen? Ein Herr Godard, berühmter volkswirtschaftlicher Schriftsteller, hat soeben hier ein schrecklich blutiges Werk, betitelt ›Naples‹, gegen unsere Verwaltung veröffentlicht, und man hat ihn gewähren lassen. Wird sich Herr von Sartine von uns an Liebe zur Preßfreiheit übertreffen lassen?

Es gibt also keine Briche mehr! Nun, was liegt daran! Steht denn die Champfleuristraße noch? Ich werde eine Dachkammer dort im vierten Stock durch meine lichtvollen und dunklen Schriften unsterblich machen. Sie geben mir den Rat, nach dem Kongo zu gehen, um glücklich zu sein... Alle Wetter, es gibt hier keinen Weg, um nach diesem – abgesehen von der schlechten Luft – fruchtbaren und glücklichen Lande zu kommen. Dennoch will ich auf Sie hören. Ich werde es versuchen, und wenn ich ohne Unfall ankomme, so werde ich's Ihnen schreiben.

Erinnert sich denn der liebenswürdige Baron Studnitz meiner noch? Nun, wenn ich nicht nach dem Kongo gehe, so werde ich nach Gotha kommen, um ihn zu umarmen und den Rest meines Lebens bei dem Fürsten zu verbringen, der juxta cor meum ist, wie David, der auch nicht mehr wert war als ich, nach dem Herzen unseres Herrgotts war.

Ich habe weder dem Marquis, noch meinem lieben Grimm, noch dem Abbé Morellet, noch dem Baron von Gleichen bis jetzt geantwortet, und auch hieran trägt nur Herr von Sartine die Schuld. Wenn Sie mir meine Fröhlichkeit nicht wiedergeben, so werde ich an niemand mehr schreiben; denn hier habe ich sonst nichts, was mich quält, außer dem Mangel an Vergnügungen, an Gesellschaften, an Freunden, an Schülern, an Diners, an Soupers, an Geld, an Gesundheit, an Fröhlichkeit, an angenehmen Geschäften, an Liebe; aber dafür hab' ich die Freundschaft des Ministers, den Ärger der Neider, die Gefahr der Verleumdungen, die unabsehbare Schar der langweiligen Menschen, die Prozesse, den Palast, den Hof, auf den Straßen die Dudelsäcke und an den Füßen die Hühneraugen. Und Sie wollen, daß ich über die Indische Kompagnie schreibe! I nunc et versus tecum meditare canoros.

Ein Wort noch zu Ihrem letzten Brief vor dem vom 4. Sie kommen mir vor wie Balaam und Kaiphas, die, ohne etwas vorher zu wissen, prophezeiten und Gutes sagten, obwohl sie Böses sagen wollten. Sie konnten einem großen, sehr eleganten und sehr hübschen Frauenzimmer nichts Besseres sagen, als: die Möbel fischt man alle drei Jahre aus dem Wasser. Dies ist buchstäblich wahr. Diese Damen haben Extranetze, um alle drei Jahre neue Möbel zu bekommen, und daß sie »ihren Wasserplatz verkaufen«, das ist ebenfalls wahr....

Ich hoffe, der kleine antike Stein, den ich Ihnen schickte, war nach dem Geschmack Ihrer Frau Tochter. Behalten Sie mich lieb und denken Sie nicht, daß ich Sie oder meine Freunde vergesse. Wozu würde mir ein gutes Gedächtnis oder eine lebhafte Einbildungskraft nützen, wenn ich vergäße, was meines Lebens Glück war und vielleicht noch sein wird. Leben Sie wohl! Guten Abend!


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