Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[54] An Frau von Epinay

Neapel, den 19. Januar 1771

Meine schöne Dame,

ich beklage Sie, ich trauere um Sie und möchte Sie trösten und beraten, ob ich gleich überzeugt bin, daß Sie dessen nicht bedürfen.

Was war denn das für ein verteufelt dummer Einfall, sich von Ihrem Herrn Gemahl Kinder machen zu lassen! Wußten Sie denn nicht, daß Kinder ihrem Vater ähnlich werden? Sie sahen, daß Herr von Epinay ein Verschwender war; so hätten Sie also mit meinem Botschafter, dem Marquis de Castromonte, Kinder zeugen sollen; er war in Paris, als Sie Ihren Sohn empfingen, und er würde Ihre Familienangelegenheiten in Ordnung gebracht haben. Waren Sie jemals so rasend, an Rousseau und seinen »Emile« zu glauben? Zu glauben, daß Erziehung, Grundsätze, Reden irgend etwas zur inneren Einrichtung eines Kopfes beitragen? Wenn Sie daran glauben – bitte, so nehmen Sie doch mal einen Wolf her und machen Sie einen Hund daraus, wenn Sie können. Das Unverbesserliche ist also ein auf Berechnung beruhendes Übel; folglich darf man es nicht noch durch falsche Berechnungen vermehren. Es wäre grundfalsch und höchst gefährlich, wenn man glauben sollte, es ließe sich verbessern. Seien Sie fest überzeugt, es gibt kein Mittel dagegen, und Sie bekommen nur die Dosis notwendigen Übels; von Ihrer Seite hat der Wille gar nicht mitzusprechen. Aber das alles wissen Sie ja, und vielleicht haben Sie es schon getan. Übrigens bin ich ja niemals Mutter gewesen; Vater war ich vielleicht ein paarmal, und ich habe wohl gesehen, daß das nichts damit zu tun hat.

Tausend Dank für den von Ihnen gesandten Kürbissirup. Wenn die Kranke noch am Leben ist, könnten Sie ihr vielleicht einen großen Dienst erweisen, indem Sie mit Herrn von Sartine sprechen, ob er nicht ihre Aufnahme und Verpflegung bei den Dames Hospitdieres erwirken kann...

Ich lasse Ihren Kopf sich über die Pariser Wirren beruhigen. Meiner ist ganz ruhig. Ich sehe, ich hatte das Ereignis selber richtig berechnet, aber den Zeitpunkt falsch. Ich bin hocherfreut, daß ich im Jahre 1771 nicht in Paris bin, und ich werde entzückt sein, 1772 dort zu sein.

Leben Sie wohl, behalten Sie mich lieb. Voltaires Küsse hätte ich gern; aber noch viel lieber die des Fräuleins Grandi. Adieu.


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