Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[184] An Frau von Epinay

Neapel, den 2. März 1779

Das ist, teure Frau, der schönste Brief, den Sie mir seit vier Jahren geschrieben haben. Er ist voller Kraft, voller Heiterkeit, voller Gesundheit. Ich füge hinzu: es lebe das Opium und es lebe das Alter! Denn wenn Sie es auch noch nicht erreicht haben, so stehen Sie auf der Schwelle; wenn Sie diese einmal überschritten haben, werden Sie sich in einen Schinken verwandeln, impresciuttirete, und bis gegen die neunzig hin gesalzen bleiben.

Ihr Brief war mir ein Bedürfnis. Ich gerate von einem Kummer in den anderen, von einer Bitternis in die andere. Ich hatte mir eine schreckliche Knieverrenkung zugezogen, die mich zwang, zwei Wochen zu Hause zu bleiben und mich zu langweilen. Um der Langeweile zu entfliehen, hat mich die Lust gepackt, ein kleines etymologisches Wörterverzeichnis des neapolitanischen Dialektes anzulegen. Es wird unter irgendeinem Namen erscheinen und gewiß sehr interessant und spaßig werden. Wenn man Verdacht schöpft, daß es von mir ist, wird man gegen das Büchlein losziehen und es verteidigen, dessen bin ich sicher; bewahren Sie also Stillschweigen darüber.

Ich nehme an, daß der Strohsessel meinen Brief mit der lateinischen Inschrift, die er von mir gewünscht hatte, erhalten hat; ich bin sehr ungeduldig, es zu erfahren.

Lassen Sie sich von dem Baron von Gleichen erzählen, wer Mylady Oxford ist und wie sehr ich verpflichtet, nach Ihnen diese würdige Frau zu lieben. Nun, sie ist krank, es besteht Gefahr, und dies ist eine andere Ursache meiner Traurigkeit; aber der Hauptgrund ist die Langeweile, der Mangel an passender und gescheiter Gesellschaft und der schreckliche Ausblick in die Zukunft.

Ist es wahr, daß Rousseau die Denkwürdigkeiten seines Lebens im Manuskript hinterlassen hat? Ist dieses Manuskript vorhanden? Wird man es veröffentlichen?...

Haben Sie mich lieb und suchen Sie ihre Gesundheit zu bessern. Der Fall eines gemeinsamen Zusammenlebens im Alter gehört nicht zu den unmöglichsten; aber er würde ein solcher, wenn wir uns nicht die Mühe des Alterns geben.

Leben Sie wohl. Ich bitte Sie, den liebenswürdigen Zuckmantel zu umarmen, wenn Sie, in Anbetracht seines Leibesumfangs, dies fertigbringen. Er verdient es aber, daß man seine Arme dafür in Bewegung setzt; denn man kann nicht liebenswürdiger sein, als er es ist. Leben Sie wohl.


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