Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[38] An Frau von Epinay

Neapel, den i. September 1770

Ich war eine Woche überaus heiter gewesen, als Ihr Brief Nr. 18 ankam und mich sehr traurig machte. Ich habe einen sehr großen Kummer durchgemacht, den Ihre Nr. 19 eben zerstreut hat. Zur Mehrung des Vergnügens ist die so viel beseufzte, beweinte Nr. 9 aus den Wolken gefallen, ohne daß ich erraten kann wie, ebenso wie die heilige Ampulla, Unsere Liebe Frau zu Loretto, die Madonna von Soriano, und die Ancilia, die älter sind als alle diese anderen Wunder. Der liebe Brief ist endlich in meinen Händen und hat mir unendliches Vergnügen bereitet, obgleich Sie darin mit erstaunlich wahren Farben die Albernheiten eines Mannes schildern, den ich Ihnen gerühmt hatte. Aber Sie haben für Albernheit gehalten, was, meiner Meinung nach, reine Bosheit und fester Entschluß war, Sie einen Prozeß verlieren zu lassen. Nun, so viel ist wahr, es könnte einer wohl ein sehr geschickter Mann, ein sehr guter Kopf und dabei doch ein ungerechter Richter sein. Aber Sie möchten, daß ich nur tugendhafte Leute liebte. Ich möchte das auch, wenn ich nicht fürchtete, dadurch die Zahl meiner Freunde schrecklich zu vermindern. Aber lassen wir das, gehen wir zu Ihrer Nr. 19 über.

Allerdings bin ich heut sehr dumm; Sie werden das zur Genüge an der Dürftigkeit der Gedanken meines Briefes merken. Außerdem werde ich dermaßen von Mücken aufgefressen, daß es mir fast unmöglich ist, zu schreiben. Hätten Sie nicht an Nierenkoliken gelitten, so würde ich mich erdreisten, Ihnen ins Gesicht zu behaupten, daß die Mücken das größte aller denkbarsten Leiden sind. Nun, da ich dumm bin, so will ich Geldmann sein; die Dummen verstehen nichts besseres, als Geld aufzuspreichern. Ich danke Ihnen von Herzen für die Rechnung, die Sie mir geschickt haben, und ich sehe zu meinem großen Trost, daß Sie beinahe Ihre Auslagen wieder haben. Unter diesen Umständen willige ich nicht in den Plan ein, Bücher von Merlin als Bezahlung anzunehmen; sie würden alle sacrosanct sein (das sind sie, denn niemand rührt sie an); es würde einem zum Halse heraushängen. Kurz, ich habe dem Handel entsagt. Es langweilt mich sogar, darüber zu Gericht zu sitzen. Warten wir Merlins Bezahlungen ab, und knirschen Sie immer zwischen den Zähnen, wenn er zu Ihnen kommt: »Möchtest du pissen, wie du zahlst, Tropfen um Tropfen«, das wird Ihnen eine Erleichterung sein. Nichts geht übers Fluchen. Aber sollte er nicht eigentlich 200 Livres monatlich zahlen? 100 auf jeden Wechsel? Bitte erklären Sie mir das ...

Ich bin sehr betrübt darüber, daß das, was Ihre Nieren ausscheiden, Ihnen soviel Schmerzen gemacht hat und noch macht. Es gibt viel mehr Steine und Kies auf dieser Welt, als man denkt; das haben wir von unseren Vorfahren her: denn, nehmen Sie's nicht übel, wir stammen alle von den Steinen her, die Deukalion und Pyrrha sich über die Achseln warfen. Und vielleicht ist seit dieser Zeit das Sichmitsteinenbewerfen eine menschliche Handlung; aber – da kommt ja schon wieder Geist, kommen rasche Einfälle, gute Worte, kommt Ätzendes, um die gewohnte Würze zu geben.

Ah! Da sind ja auch schon wieder schreckliche Mücken, die um mich herumsummen. Wenn ich an die Seelenwanderung glaubte, so würde ich sagen, das sind Ökonomisten. Ah! Da habe ich eine zerdrückt; sollte es der Abbé Badot gewesen sein? Sie machte viel Geräusch.

Leben Sie wohl, schöne Frau. Ich habe eben einen sehr schönen Brief von Suard empfangen. Ich finde besonders ein Wort darin, das mich entzückt: er nennt mich den unersetzlichen Abbé! Leben Sie denn wohl, meine unersetzliche Freundin. Ich habe heut abend nicht Zeit, Suard zu antworten. Leben Sie wohl.


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