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Neapel, den 10. August 1771
Meine schöne Dame,
Ihr Brief Nr. 63 ist nicht besser als der vorhergehende. In diesem stand nichts drin, in jenem stehen lauter sehr traurige Sachen. Ich glaubte, bei dem gegenwärtigen Zustande Frankreichs genösse man wenigstens das Vergnügen, daß man seine Schulden nicht zu bezahlen brauche. Ich bildete mir ein, Frankreich hätte jetzt eine Art von Waffenstillstand, Jubeljahr, Sabbatjahr, apokalyptischer Zeit, so etwas ähnliches wie Boulangers Kataklysmus; mit einem Wort, es sei das häßlichste Land für reiche Gläubiger und das hübscheste für Schuldner. Aber Sie bringen mir einen ganz anderen Begriff bei; Sie fürchten, wie ich sehe, bezahlen zu müssen. In dieser Beziehung sind wir glücklicher, obgleich wir weder die Parlamente in die Verbannung geschickt noch all das andere gemacht haben. Hier bezahlt kein Mensch was. Kommen Sie also nach Neapel und lachen Sie die ganze Welt aus.
Der Strohsessel geht also nach England? Was zum Teufel wollte er denn in dem Zuchthaus? Um Sie mit Besorgungen und Arbeit zu Tode zu hetzen, spielt er Ihnen diesen abscheulichen Streich. Pfui, das Ekel!
Die Bombe ist also mitten in Paris geplatzt, und Sie haben ein Erdbeben gehabt oder glaubten eins zu haben. Zu einer Zeit, wo die Astrologie noch galt, wäre dieses Phänomen ein Vorzeichen von allen später eingetroffenen gewesen; und das ist eine unstreitbare Wahrheit. Ich begreife nicht, wie die Menschen den Glauben an die Auguren haben aufgeben können. Kann man leugnen, daß alles Vorhergehende das Nachfolgende ankündigt? Und trotzdem will man nicht daran glauben. Das ist der Unglaube unserer Zeit! Ich für meine Person erkläre Ihnen, die Bombe bedeutet eine Verfolgung der Literaten, die an allem Übel schuld sind, das geschieht und noch geschehen wird. Diese Wahrheit hat man schon in Parma gekannt, und man wird sie noch anderswo erkennen.
Guten Abend. Behalten Sie mich lieb. Suchen Sie mich durch Ihre Briefe zu elektrisieren oder durch die Briefe Ihrer und meiner Freunde. Von mir ist immer dasselbe zu melden. Ich habe im ganzen bloß noch acht Zähne; das ist der ärgerlichste Verlust, den ich erlitt, seitdem ich Paris verlor. Adieu.