Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[35] An Frau von Epinay

Neapel, den 11. August 1770

Ihr Brief ist ebenso lang wie reizend. Gott sende Ihnen immer Koliken, da so schöne Episteln daraus entsprießen. Ich war entzückt und keineswegs erstaunt über den Beschluß des Ministerrates. Es ist der erste Schritt zur Annahme des ganzen Systems meiner Dialoge, und, zweifeln Sie nicht daran, man wird es ganz annehmen. Ich bin zu sehr im Recht, meiner Treu! Inzwischen wäre es nur gerecht vom Herrn Generalkontrolleur, wenn er mir irgendeine Art Ehrenrettung für die abscheulichen Unverschämtheiten zugestände, die ich erleiden mußte, weil ich der Nation, die mich so wohl aufgenommen hatte, einen Dienst leisten wollte. Man kann nicht leugnen, daß ich im Angesicht von ganz Europa niederträchtig beschimpft worden bin durch einen Haufen ökonomistischen Pöbels. Dieses Vorgehen war ihrer würdig, und ich wundere mich keineswegs darüber. Bäurisches Wesen paßt für die Bauern, und Bauernlümmel sind von Natur grob. Sie fügten zur Unverschämtheit die Beleidigung, meinen Namen zu nennen; das ist bei ihnen natürlich. Aber der übrige Teil der Nation! Darf das höflichste und gesittetste Volk der Welt erlauben, daß ein Fremder so behandelt wird, ein Fremder, der nichts genommen, nichts geraubt, nichts von einer Nation verlangt hat, unter der er freilich nur als ein kleiner Vertreter weilte, aber doch als Vertreter der Angelegenheiten eines großen Fürsten, eines Freundes und Blutsverwandten der Bourbons? Fühlt sich Herr von Sartine, dem der Buchhandel untersteht, nicht ein wenig des Freundschaftsbruches schuldig, und des Verstoßes gegen die Pflichten der öffentlichen Wohlanständigkeit, die selbst für eine Nation gelten, wo man die Preßfreiheit ermutigen will? Ich verlange durchaus keine Rache. Ich verlange eine Ehrenrettung, und die ist man mir schuldig. Gehen Sie zu Sartine, sprechen Sie mit ihm, der doch in allem so gut und würdig denkt.

Ich hatte früher Lust, als auswärtiges Ehrenmitglied in die Akademie der schönen Wissenschaften aufgenommen zu werden; aber die Idee, mich dann dicht neben Abbé Guasco zu befinden, benimmt mir den Appetit dazu. Daher schlage ich nichts vor, ich warte ab. Eine Verdienstmedaille, ein Brief, ein bemerkbares Lob, das man veröffentlichen kann, würde mir genügen und genügte, glaube ich, dem ganzen Europa, um zu zeigen, daß niemand mit mehr Achtung und Wahrheitsliebe von den Absichten des Ministeriums, aus denen das Edikt von 64 hervorgegangen ist, gesprochen hat, und daß ich nur im Sinne hatte, Frankreich von den schlechten Ratschlägen einer Sekte flachköpfiger und blödsinniger Ratgeber zu befreien...

Es ist nicht mehr Zeit zu destillieren, man muß frisch drauf los trinken. Sie möchten nicht, daß ich auf einen Abschnitt Ihres Briefes antworte, und dennoch tue ich es, indem ich Ihnen mitteile, daß ich heut morgen mein lit de justice gehalten habe. Ich habe alle meine Freunde begnadigt und sogar den Abbe Morellet. Ich will niemand mehr schuldig finden. Ich gewähre meine Huld allen (ich meine: meinen Freunden), und ich verbiete Getreideausfuhr, Gegenmichschreiben und Mirnichtschreiben. Das sagen Sie bitte denen, die schon überführt, wie denen, die nur verdächtig sind, in ihrer guten Meinung von mir wankend geworden zu sein.

Wollen Sie mir eine kleine Abschlußrechnung über mein Geld schicken? Ich habe viele Schulden in Paris. Auch Nicolai hat mehrere Aufträge bekommen, und ich schulde ihm Geld.

Ein andermal werde ich mit Ihnen vom Fatalismus reden. Dies System wird untergehen, denn die Türken sind von den Russen verbrannt worden. Leben Sie wohl. Behalten Sie mich immer lieb. Nochmals Lebewohl.


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