Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[143] An Frau von Epinay

Neapel, den 12. März 1774

Schöne Frau,

heute morgen, vor zwölf Uhr, ist mein Bruder gestorben. Hab ich Ihnen damit nicht genug gesagt für heute abend? Wenn Sie finden, daß dies wenig ist, füge ich bei, daß ich vor drei Tagen die Nachricht von dem Tode meines Onkels empfangen habe. Er war alt, aber da er eine zahlreiche und arme Familie hinterläßt, ist mir sein Tod fatal.

Trotzdem ist Ihr Brief reizend; Sie scheinen mit dem Tag, den Sie bei dem Baron und bei Fräulein von Lespinasse verbracht haben, zufrieden zu sein. Ihr Glück hat mich beinah erheitert; ich werde also einzig darauf antworten. Zunächst bin ich von der Gesundung des Fürsten Pignatelli entzückt.

Herr Capperonnier kennt nicht mein Buch über das Geld? Es befindet sich indessen auf der Königlichen Bibliothek; wäre er in der gleichen Lage wie der Pfarrer von Saintulpice, der seine Kühe besser kannte als seine Schäfchen? Warum beantwortet er meine Frage nicht? Gibt es gar keinen Schriftsteller, der, in einem Buch oder Manuskript, das Geburtsjahr Cesare Borgias genau angibt? Das ist die Frage.

Herr von Pezay gesteht mir also Geist zu; ich bewundere seine Güte. Wenn ich ihm gesunden Menschenverstand zugestände, wäre ich großmütiger als er; aber ich will nicht als Verschwender gelten.

Gott soll mich vor dem Gedanken behüten, Ihr Luftschloß zerstören zu wollen; im Gegenteil, ich werde ein Zwischengeschoß oder, wenn Sie wollen, ein Geländer hinzufügen. Der Tod meines Bruders bringt mich Paris näher. Hier der Grund: er hinterläßt drei Töchter; ich werde sie verheiraten, und um sie besser zu versorgen, werde ich ihren Gatten den Glauben beibringen, ich sei eines Tages hier eine große Persönlichkeit. Nach geschehener Sache und vollzogener Ehe werden sie fein belämmert sein. Ich werde alles im Stich lassen, und da mich nichts mehr hier festhält, werde ich nach Paris zurückkehren. Sie werden Zeter und Mordio schreien; aber es hilft nichts mehr dagegen. Bei Gelegenheit des Verkaufs der Bücher meines Bruders verkaufe ich auch die meinigen, und das wird mich um vieles erleichtern. Erwarten Sie mich also unter der Ulme oder beim Karussell, und sorgen Sie dafür, daß die Buden hübsch mit guten schönen Waren versehen sind.

Haben Sie mich lieb, bedauern Sie mich, und betrachten Sie mich als Ihren ergebenen und gehorsamen Diener.


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