Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[95] An Frau von Epinay

Neapel, den 9. Mai 1772

Endlich ist das so heiß ersehnte Ereignis eingetreten: ein Brief von Ihnen hat mich nur drei Soldi gekostet. Ich habe nicht am Stempel erkennen können, welchen Weg er genommen hat; jedenfalls aber war es der rechte Weg. Allerdings kommt er ein paar Tage später an; aber das macht sehr wenig aus. Es genügt, wenn Sie es wissen, damit Sie in einem sehr dringlichen Fall – der wohl nicht wahrscheinlich ist – mir direkt mit der Post schreiben können. Unterdessen wollen wir uns freuen, daß wir das Mittel gefunden haben, zu drei Sous für das Halbgespräch uns unterhalten zu können.

Ich werde den Befehlen des Herrn Baron Grimm gehorchen. Vom Kaiser und dem Großfürsten ist die Mode eingeführt worden – und sie wird jetzt von allen Fürsten auf Reisen befolgt – immer in militärischer Uniform zu erscheinen. Der Kleidervorrat des Prinzen August von Sachsen-Gotha und des Herzogs von Glocester bestand aus: den Uniformen ihres Regiments, Trauerkleidung je nach der Jahreszeit, schönen Fräcken, um zu Fuß zu gehen, zu reiten, mit der Post zu fahren usw. Wie Sie sehen, nimmt das alles sehr wenig Platz in den Koffern ein. Die Engländer, die nicht Militärs sind, reisen in Trauerkleidern wegen des Todes Wilhelms von der Normandie, des Eroberers Englands. Die Kurfürstin von Sachsen, die kürzlich von hier abgereist ist, hatte ebenfalls ihren ganzen Hof in Trauer; aber das war sehr ärmlich.

Ich rate also dem Herrn Baron folgendes: er muß eine Hofuniform haben, entweder als Offizier oder als Kammerherr; schlimmstenfalls nimmt er die Harlekinsuniform eines Schweizer Barons; denn ob die Barone des Heiligen Römischen Reichs eine haben, weiß ich nicht. Außerdem muß er für alle Fälle Trauerkleidung haben, und endlich einen hübschen Straßenanzug,, um morgens herumzuflanieren. Vor allen Dingen aber rnuß er so gescheit sein, zu begreifen, daß man sich in jeder beliebigen Stadt Italiens nötigenfalls ein sehr schönes Galakleid binnen vierundzwanzig Stunden machen lassen kann, und zwar billiger als in Paris, aber unbestreitbar ebenso gut.

Sie können sich nicht vorstellen, wie lächerlich der großbritannische Staatssekretär Lord Shelburne, ein Mann mit einem Jahreseinkommen von sechzehntausend Guineen, sich hier gemacht hat, weil er diese einfache Betrachtung nicht angestellt hatte. Er kam hierher mit seinem schäbigen englischen Traueranzug, und hatte keinen anderen. Nun wurde gerade damals die Schwangerschaft der Königin bekannt gemacht, und es war für drei Tage außerordentliche Gala angesagt. Um nicht zwanzig Louis für ein Galakleid auszugeben, war er so kleinlich, sich dem König nicht vorstellen zu lassen, nirgendwo hinzugehen und sich zu Hause einzuschließen. Er war mein Freund; ich schämte mich so sehr für ihn, daß ich auf seine Freundschaft verzichtete.

Der Fall, daß man ein Staatskleid braucht, ist also wie ein außerordentliches Ereignis, z. B. ein Beinbruch, anzusehen, das einem auf Reisen passieren kann; man muß darauf gefaßt sein, aber man braucht ein solches Kleid nicht bei sich zu haben; denn man kann ja nicht ahnen, in welcher Jahreszeit einem das Malheur zustoßen wird. Ich glaube Grimms Wunsch in vollem Maße erfüllt zu haben.

Noch eins: Wenn er in seinem Koffer noch Platz hat, kann er einen schwarzen Samtrock mit einer Weste aus Gold- oder Silberstoff mitnehmen; die wäre gut für die Fastenzeit, denn es ist eine Art Uniform für die heiligen Trauertage, die sogar von Militärs getragen wird. Übrigens weiß er wohl, daß der Wiener Hof die Galatage abgeschafft hat. Infolgedessen haben auch Mailand und Florenz keine. In Genua, Venedig, Rom sind niemals Hof feste; wir haben welche, aber unser König trägt stets nur die Uniform seiner Brigade und hat einen Abscheu vor schönen Kleidern. Wenn der Herr Baron mich fragt, was man denn später mit einem Prunkkleid anfängt, wenn man sich unglücklicherweise eins hat machen lassen, so antworten Sie ihm: man macht damit, was man nach dem Glauben jener Dame mit den alten Monden macht, wenn Neumond wird: Man wirft es weg, oder man verkauft es wieder mit Verlust, oder man nimmt es mit, wenn man Platz hat...

Gatti ist vor drei Tagen abgereist, und seine Abreise war für mich eine Entwöhnung von Paris. Ich erwarte voll Ungeduld Herrn de Breteuil.

Für heute abend bekommen Sie nichts mehr von mir. Machen Sie Ihre Vorhänge fertig, möblieren Sie Ihr Landhaus recht schön und lassen Sie auch ein Bett für mich hineinstellen. Leben Sie wohl.


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