Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[147] An Frau von Epinay

Neapel, den 8. Juli 1774

Es gibt Leben, schöne Frau, von denen das Schicksal der Reiche abhängt. Als Hannibal die Niederlage und den Tod seines Bruders Hasdrubal erfuhr, der mehr wert war als er, weinte er nicht, sondern er sagte: Agnosco fatum Carthaginis. Ich weiß nun, was das Schicksal Karthagos sein wird. Ich sage das gleiche über den Tod des Herrn von Mora. Ich weiß nun, daß Spanien eine Barbarei bleiben soll. So lautet der Beschluß des Schicksals. Was wir gegenwärtig sehen, ist nur ein falscher Anschein der Bildung; aber Spanien wird nicht Frankreich werden. Wenn es von Ewigkeit vorbestimmt wäre, daß es dazu würde, wäre Mora nicht gestorben; er wäre wieder von den Toten auferstanden, wenn es nötig gewesen wäre: so groß ist die Gewalt des Schicksals. Es ist vielleicht die gleiche Gewalt, die es verhindern wird, daß Herr von Sartine den Herrn von Saint-Florin ablöst, und daß Herr von Breteuil von Herrn de Vergennes überflügelt worden ist. Ihr seid gewesen, Franzosen, täuscht euch darüber nicht. Ihr werdet sehen (wartet nur!), mit welcher Geschicklichkeit, mit welcher wunderbaren Verknüpfung das Schicksal (dies Wesen, das so vieles weiß) dem bestmöglichen König mit den besten Absichten alle Pläne aus der Hand winden, alle guten Absichten irreleiten und alles machen wird, was es will und was wir nicht wollen. Bleiben Sie, bitte, vor einem Koch stehen; sehen Sie sich einen Bratspieß an; sehen Sie den Affen, der mit einer Kraft und einem erstaunlichen Fleiß damit beschäftigt zu sein scheint, das Rad zu drehen; nun, da haben Sie den Menschen: das verborgene Gegengewicht ist das Schicksal, und die Welt ist ein Bratspieß. Wir glauben ihn zu drehen, und er ist es, der uns dreht.

Einstweilen sind der König und die Königin geimpft worden: nach dem gleichen Prinzip. Das Schicksal (in dieser Hinsicht günstig für Europa gestimmt) will uns von den schwarzen Blattern befreien. Es glaubt, daß wir an der Syphilis genug haben, und es täuscht sich kaum. Sehen Sie, welche Verkettungen es ins Werk setzt! Der Hof, der der Vernunft am längsten widerstrebt, hat der Furcht nicht widerstehen können; und die Kriecherei wird mehr Impfungen zustande bringen als jemals der vorsorgliche Eifer eines Fürsten. O Mensch! du närrisches, elendes, lächerliches Geschöpf! Du glaubst, daß Condamine die Impfung gepredigt hat; es ist aber die Impfung, die Condamine verkündet und ihm den Ruhm verschafft hat, den er vielleicht nicht verdiente.

Umarmen Sie den Revenant. Ah, der hat leicht lügen! Ich rechne darauf, daß er bei der Ankunft dieses Briefes nicht mehr weit von Paris sein wird, vorausgesetzt, daß er nicht in Darmstadt bleibt, um Tränen zu trocknen. Caraccioli ist angekommen und bei Hofe vorgestellt worden. Exceptus brevi osculo nulloque sermone, servientium turbae immixtus est. (Tacitus, im Leben des Agricola) Ich habe ihn gesprochen; er hat mir einen kurzen Bericht über alles gegeben, was ich von Paris wissen wollte. Es hat mich ziemlich befriedigt, ausgenommen, was er mir über den Gesundheitszustand des Fürsten Pignatelli erzählte: das hat mir einen Stich ins Herz gegeben! Welch andere Art von Mißgeschick! Ich bin traurig und grüble, wie Sie sehen. Viele Unannehmlichkeiten sind soviel wie ein Unglück, und in diesem Zustand befinde ich mich. Unter meinen Unannehmlichkeiten ist auch die, daß mein französischer Bedienter Dutout mich soeben nach fünfzehn Dienstjahren verlassen hat. Ein heftiges Heimweh hat ihn in seine Heimat (Savoyen) zurückgetrieben, ohne daß er seiner Herr geworden wäre. Dieser Abgang stört mein Hauswesen, und ich bin in größerer Verlegenheit, wem ich meine Schokolade zum Zubereiten geben soll, als sie der König von Frankreich bei der Verleihung des Departements des Ministeriums des Äußern empfand. Er wird vielleicht nach Paris gehen; Sie werden ihn sehen; er wird Ihnen Nachrichten von mir überbringen. Ich empfehle ihn Ihnen, ebenso wie Herrn von Magallon und allen meinen Freunden ...

Ich habe an meinem Kattun weder die Fracht von Paris nach Marseille, noch die von Marseille nach Neapel erspart; ich werde auch nicht den Zoll ersparen und vielleicht wird er als Schmuggelgut mit Beschlag belegt! O Frucht so vieler Maßregeln! O Schicksal, Herr der Welt!


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