Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[33] Frau von Epinay an Galianiy

Den 2. September 1770

Nun, ich hatte ja immer geahnt, daß die angenehmen Methoden des Unterrichts in den Wissenschaften bei Kindern nichts wert seien; aber da ich die dumme Angewohnheit habe, meinen eigenen Gedanken immer zu mißtrauen, wenn sie nicht durch Leute, die mein Vertrauen besitzen, bestätigt sind, und da ich trotzdem eine gewisse Neigung zur Pedanterie habe, so glaubte ich mich zu täuschen; aber jetzt, mein reizender Abbé, wo Ihr prächtiger Brief meine Meinungen besiegelt hat, könnten die ganze Welt und alle Herren Unfehlbar kommen, um mir das Gegenteil zu sagen, ich würde nicht mehr davon abstehen. Die Erfahrung selbst hat für mich den letzten Beweis erbracht. Ich habe schon fünf Erziehungsversuche ausgeführt, sowohl an meinen Kindern als an armen Verwandten, derer ich mich annahm. Nur da habe ich Erfolg gehabt, wo ich durch Fleiß und Pünktlichkeit die Schwierigkeiten zu besiegen zwang. Ich erziehe jetzt meine Enkel, ich nahm mir vor, streng gegen sie zu sein, und sicherlich werde ich es sein.

Übrigens ist Ihr Brief prächtig: ein sehr schöner Text für einen Kommentar. Alle diese Plan- und Phrasenmacher sind so weit entfernt von der Wahrheit und dem wirklichen Zweck, auf den doch schließlich die von ihnen angeratenen Übungen hinaus wollen, daß ich wahrhaftig ihre Bücher gern in die Klasse verwiese, in die Sie in Ihren Dialogen die Tagesbroschüren verwiesen haben.

Ich plaudere mit Ihnen, lieber Abbé, als ob Sie da wären; ich sage Ihnen alles, was mir durch den Kopf geht, und selbst alles, was durch mein Herz geht, wenn ich Ihnen sage, daß ich Sie sehr, sehr gern habe. Es vergeht fast kein Tag, wo ich nicht von Ihnen zu Ihren Bekannten spreche, und wo ich nicht diejenigen, die Sie nicht kennen, mit Ihnen bekannt mache; wenn ich niemand da habe, spreche ich ganz allein mit mir selber von Ihnen. Es geht mir viel besser, seitdem ich hier bin; die Bäder von Bussan tun mir sehr gut. Allerdings hatte ich einen kleinen Anfall von Blasengries; aber er ist bei weitem weder so lang noch so heftig gewesen als die vorhergehenden.

Ich denke künftigen Dienstag bis Donnerstag nach Paris zu gehen, um Ihre Angelegenheit zu regeln, und mit nächster Sendung werde ich Ihnen Rechenschaft darüber ablegen, was ich ausgerichtet habe.

Frau Necker ist in den Bädern von Spaa, also werde ich Ihren Brief an sie nicht mehr sehen; den an Suard aber werde ich sicher sehen, obgleich Sie mir sagten, es sei nicht der Mühe wert. Nichts von Ihnen, lieber Abbe, ist mir gleichgültig. Der große Mann und sein Strohstuhl, einer den ändern tragend, umarmen Sie herzlichst. Meine Tochter wünscht, daß ich sie Ihnen ins Gedächtnis zurückrufe; sie liebt ihren Ring so sehr, weil er antik, aber mehr noch, weil er von Ihnen ist...

Das Brot ist wieder teurer geworden: es kostet jetzt 3 sous, 3 liards. Man behauptet, es sei nur in der Hauptstadt und in ihren Umgebungen so teuer, aber man berichtet mir dasselbe aus allen Provinzen. Ich schicke Ihnen ein Edikt, das das Parlament vorgestern erlassen hat.

Guten Tag, lieber, guter Freund; haben Sie mich immer so lieb wie sonst. Das Übrige mit nächster Post.


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