Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[130] An Frau von Epinay

Neapel, den 4. September 1773

Über den polnischen Handel, schöne Frau, war ich schon beruhigt, wie ich Ihnen ja auch schrieb. Die Gelehrten sind ein Geschlecht von Narren, mit denen ziemlich schwer umzugehen ist. Sie streben nach Ruhm und möchten zu gleicher Zeit nicht bloßgestellt werden; aber das eine geht nicht ohne das andere. Nur was pikant ist, wird berühmt, und alles Pikante kompromittiert. Ich bin Gelehrter, also bin ich ein Narr. Ich wünsche zwei Dinge, die miteinander unvereinbar sind, und ich gleiche jenem Dichter, der nicht für den Verfasser gewisser Verse gelten wollte, aber es nicht vertragen konnte, wenn man sie schlecht fand. Beklagen Sie also meine Narrheit und betrüben Sie sich nicht mehr um meine polnische Berühmtheit, denn im Grunde ist sie mir gar nicht so unangenehm.

Nichts ist so spaßhaft, wie wenn eine Pariserin sich einem Neapolitaner gegenüber über die Hitze beklagt und dieser ihr mit einer Beschreibung der Vorteile und Annehmlichkeiten neapolitanischer Kühle antwortet. So täuschen sich die Menschen in ihren Urteilen. Ich bin darauf gefaßt, daß Sie mir demnächst schreiben werden, man finde in Paris keinen Menschen mehr, mit dem man disputieren könne, es erschienen keine Broschüren mehr, literarische Dispute hätten aufgehört; und daß dagegen ich im Gegenteil Ihnen mitteilen werde, meine Perücke schwebe immer in der Luft und mein Kopf stehe immer in Flammen. Bis dahin hat es freilich noch gute Weile. Indessen muß ich, zur Ehre meines Vaterlandes, Ihnen sagen, daß man von dem Erscheinen eines Kometen hier fast ebensoviel gesprochen hat, wie in Paris; daß die Abhandlung des Herrn de Lalande hier in französischer Sprache neu gedruckt worden ist, und daß der Buchhändler sehr guten Absatz gehabt hat. Wir haben also die Pariser an astronomischer Wißbegier erreicht, und wir haben sie darin übertroffen, daß wir keine Furcht gehabt haben. Ich bin sogar noch weiter gegangen: ich habe den Kometen herbeigewünscht, ich seufze nach ihm und werde vor Kummer sterben, wenn er nicht diesen Oktober kommt, wie man erwartet.

Dieser Zusammenbruch der Jesuiten, der uns viel Spaß hätte machen sollen, ist so fade, so ruhig verlaufen, daß wir nur noch auf einen Kometen hoffen können, um einen schönen Lärm und einen ergötzlichen Kladderadatsch zu hören, wie z. B. beim Stierkampf an der barrière de Sèves.

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß im Augenblick, wo der Jesuitengeneral die Auflösungsbulle las, ein portugiesischer Jesuit ihm die bittersten Vorwürfe machte, er habe ihnen versprochen, der König von Spanien und der Papst würden bald tot sein, und er habe ihnen nicht Wort gehalten. Gibt es etwas Naiveres und Originelleres?

Da Sie wegen Ihrer Augenkrankheit mir über nichts anderes haben schreiben können als über Ihre Gesundheit, so bitte ich Sie recht sehr, meine Briefe von den letzten vier oder fünf Monaten durchzusehen und daraus die Stellen herauszusuchen, auf die Sie nicht geantwortet haben. Es schwebt mir in der Erinnerung vor, daß ich Sie nach manchem gefragt habe, worauf Sie nicht antworteten, und das mir zumeist wichtig war. Also sehen Sie bitte nach; in meinem Gedächtnis finde ich nur noch diese verworrene Idee.

Wird Grimm nach Italien kommen? Wird der Philosoph nach Petersburg gehen? Wir haben hier Herrn de La Borde, der im Galopp durch Italien reist. Es gibt Literaten, die die Bücher studieren, und andere, die sie durchblättern und die mit den Händen studieren, wie Herr de Fontenelle sagte. So gibt es auch Reisende, die ein Land studieren, und andere, die es nur durchblättern. Herr de La Borde hat uns durchblättert, Pignatelli hat uns studiert. Ich beschuldige ihn nicht; ich bedaure einen Mann, der als erster Kammerdiener eines allerchristlichsten und sehr viele Christen verbrauchenden Königs auf Reisen geht.

Behalten Sie mich lieb. Lassen Sie sich's gut gehen, und wenn Sie von mir interessantere Briefe wünschen als diesen, so geben Sie den ersten Anstoß dazu!


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