Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[85] An Frau von Belsunce

Neapel, den 4. Januar 1772

Madame,

was tut's, daß ich drei Briefe von Ihrer Frau Mutter nach dem Ihrigen erhielt. Sie haben den Vorrang; daher muß ich Ihnen das bißchen freie Zeit widmen, das ich heute abend habe, und Sie werden Ihrer lieben Frau Mama hoheitsvoll sagen, sie komme ja auch dran und brauche nur zu warten. Mit einem Wort, ich muß Ihnen für den liebenswürdigen, köstlichen Brief danken, womit Sie mich beehrt haben. Dieser Brief ist jetzt noch um so schöner, da Ihre Frau Mutter wiederhergestellt ist und ich daher fast nichts darauf zu antworten habe; das ist ja das schönste an Wechselbriefen: sie sind auch Briefe, aber man braucht sie nicht zu beantworten.

Ich finde an Ihrem Brief noch eine andere Schönheit: er ist in einem Zuge geschrieben. Er fließt dahin wie das Wasser eines Baches. So geschickt wie den Faden ins Nadelöhr fädeln Sie die Worte ein, und dann geht's von einem Satz zum andern, ohne daß man's merkt. Ich habe zu träumen geglaubt, und mir kam der stolze Gedanke, Sie hätten mehrere Male Lust gehabt, mir zu schreiben, und der lange angesammelte Stoff sei nun holterdipolter durch den ersten Ausgang hervorgestürzt, den er gefunden. Doch nun zu den Nachrichten, die Sie so freundlich sind, mir mitzuteilen.

Sie machen also aus dem Herrn Rat einen Musketier? Aber warum in aller Welt machen Sie denn nicht einen jungen d'Epinay aus ihm? In Frankreich ist man darauf versessen, aus seinen Kindern durchaus »Etwas« machen zu wollen. Hier macht man aus ihnen nur Erben ihrer Väter, und ich glaube, das ist das beste, was man für sie und für ihre Voreltern tun kann; denn hier ist niemals davon die Rede, sich auf ein Lilienwappen zu setzen oder sich auf das Bett der Ehre zu strecken. Man setzt sich auf Stühle und streckt sich auf Matratzen.

Die Zarin kann für Bilder so viel Geld ausgeben wie sie will; der Türke hat sich verpflichtet, ihre Schulden zu bezahlen, und er wird ihr sein Wort halten. Das wollt Ihr Herrschaften gar nicht glauben; aber es wird nun mal doch so sein.

Sie wollen nicht, daß ich eine Schnepfe werde. Da Sie Vegetarianerin sind, so verzichte ich auf diesen Plan und werde den Wunsch aussprechen, mich in eine Gurke verwandeln zu dürfen, oder, wenn Sie das lieber wollen, in einen Kürbis. Aber an die Abwesenheit von Paris kann ich mich nicht gewöhnen. Nur eins könnte mich trösten: veranlassen Sie Herrn de Breteuil, Ihren Bruder als adligen Legationssekretär zu sich zu nehmen, wie früher Herr d'Ossun den Baron de la Houze gehabt hat. Ich gewinne diesem Plan tausend angenehme Seiten ab. Ihr Herr Bruder wird in die Geschäfte der Politik eingeführt; er bringt für diese Laufbahn ganz andere Eigenschaften mit als für die eines Musketiers. Wenn hieraus etwas werden könnte, hätte ich erstens jemanden hier, der mir sehr teuer wäre, da er Ihnen und Ihrer Mutter teuer ist. Ferner wäre es sehr natürlich, wenn eine Mutter mal ihren Sohn besuchte. Den Rest erraten Sie.

Gatti hat gestern die Söhne des Fürsten San Angelo Imperiali geimpft. Es ist die erste Impfung, die in Neapel vorgenommen wurde, und ich habe Hoffnung, daß sich der Brauch hier allmählich einbürgern wird. Dies sind nun alle meine Neuigkeiten!

Sagen Sie, bitte, Ihrer Frau Mutter, sie möge für heute abend keinen Brief von mir erwarten; sie bekommt von diesem nur die Aufschrift. Ich sollte diesen Brief eigentlich in einem vertraulichen und derb-höflichen Ton schließen. Ich müßte artige Phrasen drechseln, um Ihnen lauter schöne Komplimente zu sagen. Aber wie soll ich das machen? Ich habe keine Zeit, höflich zu sein. Ich muß von Ihnen scheiden und will Ihnen nur noch sagen, daß Ihre Briefe mir noch mehr Freude machen würden, wenn Sie sie mir beim besten Wohlsein Ihrer Frau Mama schreiben wollten.

Wissen Sie auch, daß ich bin Ihr etc.


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