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Neapel, den 20. Juli 1776
Sie haben recht, Madame: ein Briefchen von Ihrer Hand ist so viel wert wie eine ausgezeichnete Neuigkeit; deshalb bin ich mit der heutigen Post zufrieden. Dennoch sprechen Sie von dem Kummer, den Ihnen die Abwesenden bereiten. Ach, wenn ich anfangen wollte, Ihnen von dem zu sprechen, den uns die Anwesenden bereiten, so müßte ich Ihnen von fünf Schwestern, drei Nichten, einem Neffen, der Frau und den Kindern dieses Neffen, von einer mütterlichen Tante und ihrer Familie, von den Gatten meiner beiden Nichten, meiner Schwägerin, ihrem Gemahl, von dessen Mutter und endlich von ungefähr dreißig Vettern und hundert entfernten Verwandten sprechen. Es ist wahr, buchstäblich und ohne Übertreibung, daß mir all diese Leute auf dem Halse liegen; alle pflegen sich an mich zu wenden; keiner ist imstande noch in der Stellung, mich zu unterstützen, mir etwas Gutes zu tun, mir zu helfen: alle sind mir eine Last; alle, mit Ausnahme meines Neffen, sind höllisch fromm; und alle, mit Einschluß meines Neffen, sind zum Sterben langweilig. Stets habe ich einen aus diesem Verwandtenschwarm bei mir zu Tisch oder als Logiergast. Sie rauben mir meine Einsamkeit, ohne mir Gesellschaft zu leisten. Ich erzähle Ihnen das nur, um Sie trösten und Ihnen zu beweisen, daß, von der Gesundheit abgesehen (die ein großes Gut ist), mein Zustand schlimmer ist als der Ihrige, und um Sie zum Geständnis zu bringen, daß es in der besten aller möglichen Welten nichts Gutes gibt. Ah, wenn der liebe Gott eine unmögliche Welt hätte schaffen wollen, wie glücklich würden wir uns darin fühlen!...
Der französische Botschafter ist außerordentlich liebenswürdig; er hat hier mehr Erfolg als irgendein anderer, ja größeren als Breteuil. Beati mites, quoniam ipsi possidebunt terram.
Daß man das Spital Hôtel-Dieu in den Ivalidenpalast verlegt, ist das Beste, was man tun konnte; es war eine schöne Feuersbrunst nötig, um diese gute Tat zuwege zu bringen; so wahr ist es, daß die Erleuchtung fortschreitet (wie die Ökonomisten behaupten). Eine Feuersbrunst leuchtet weithin!
Habe ich Ihnen den wesentlichen Dienst mitgeteilt, den mir der Strohsessel geleistet hat? Er hat die Sammlung von Büchern und Stichen meines Bruders durch die Kaiserin von Rußland um den Schätzungspreis, den ich dafür verlangte, kaufen lassen. Der Dienst besteht darin, daß ich mich dadurch an meinen liebenswürdigen Landsleuten gerächt habe, die sie für nichts haben wollten.
Leben Sie wohl. Man unterbricht mich. Der Bruder des Gemahls meiner Nichte kommt soeben vom Besuch der Jubiläumskirchen zurück: hatte ich es Ihnen nicht gesagt?