Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[183] An Frau von Epinay

Neapel, den 27. Februar 1779

Eine hübsche Zeit ist ohne jede Nachricht von Ihnen verflossen, teure Frau. Das fängt an, mich zu beunruhigen, trotz der ausdrücklichen Versicherung, daß Sie vollkommen gesund waren. Aber das Wetter war so außerordentlich: alle Welt ist vergangenen Monat fast erfroren; alle Welt kommt in diesem Monat vor Hitze um. Die Dürre hat alles verbrannt. Nordlichter, Kometen, bis auf die Solstitien und Tag- und Nachtgleichen, sind sämtlich am Himmel und auf der Erde erschienen. Sind Sie also gestorben, oder geheilt, oder immer noch krank? Kurz, sprechen Sie doch und teilen Sie mir die wirkliche Ursache Ihres Schweigens mit.

Was mich betrifft, so fehlt mir immer der Stoff zum Schreiben. Wir haben ein weises Gesetz erlassen, demzufolge das Verbrechen der Notzucht und der Verführung (stuprum) für immer abgeschafft ist. Vierzehnhundert Personen sind infolge dieses heilsamen Gesetzes im Königreich Neapel aus dem Gefängnis entlassen worden. Da sehen Sie, an welcher Verführungswut wir litten oder, besser gesagt, wie wütig Eltern und die zu Rate gezogenen Priester darauf aus waren, die Menschen zum Heiraten zu zwingen, indem sie die Mädchen der Verführung preisgaben. Kurz, ich bin wirklich zufrieden mit diesem Gesetze, das mit der Zeit bessere Sitten schaffen und für den Augenblick die öffentliche Ruhe herbeiführen wird.

Ich hatte es Ihnen vorausgesagt, daß ich den jungen Holbach, der an unserem Horizonte wie ein Meteor auftaucht und wieder verschwunden ist, nur ein- oder zweimal sehen werde. Kaum hatte ich einen Augenblick Zeit, um mit ihm zu plaudern und ihn zu fragen, wie es Ihrer Familie und der seinigen gehe. Gatti hat ihn ein bißchen mehr genossen, da er mehr Zeit hat als ich. Der Cavaliere Mozzi, dem er durch Gleichen empfohlen worden war, hat ihm die kleinen Dienste geleistet, deren er fähig war. Im allgemeinen ist er mir ziemlich liebenswürdig, vernünftiger als ich glaubte, aber noch nicht ganz reif erschienen. Er hat sich hier gut betragen, ja besser, als die Franzosen dies gewöhnlich tun. Schließlich hat er mir Bedauern und keinen Kummer in der Seele hinterlassen. Was macht der Strohsessel und die Postkutsche? Und was sagt der teure Baron von Gleichen, der bei seiner Rückkehr ein stolzes Tuilerienschloß finden wird, welches durch seine Lage das schönste Europas ist? Wird er als Besucher zu uns zurückkehren? Wir erwarten heuer die Pest. Wenn sie nicht kommt, erwarte ich ihn, und ich werde nicht ärgerlich sein, ihn für die Pest eintauschen zu können.

Ich schicke der holden Vicomtesse meine Empfehlungen. Haben Sie mich lieb und betrachten Sie mich stets als Ihren sehr ergebenen und gehorsamen Diener.


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