Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[179] An Frau von Belsunce

Neapel, den 10. Oktober 1778

Madame,

der Fürst Pignatelli von Egmont ist vorgestern von hier abgereist; ich habe ihm den Auftrag gegeben, Ihnen und Ihrer unvergleichlichen Mutter meine Gefühle auszusprechen. Da er nicht lange unterwegs zu bleiben gedenkt, wird er, hoffe ich, meinen Auftrag bald ausrichten und Ihnen die schrecklichen Verhältnisse meines Daseins am unrechten Ort schildern können.

Ihr reizender Brief, der vor vierzehn Tagen angelangt und dem seitdem kein anderer nachgefolgt ist, war zweier Versprechen wegen tröstlich: das eine lautete, daß es Mama mit der Zeit gut ginge, und das andere, daß Sie später hierherkämen, um mich zu besuchen. Wann wird dieser Zeitpunkt eintreffen?...

Wird der ehemalige Strohstuhl, die heutige Postkutsche, den Winter in Paris, in Petersburg oder in Lappland verbringen? Warum schreibt er mir nicht mehr? Er weiß wohl, wie notwendig ihm meine Antworten sind. Bitte, sagen Sie ihm, daß ich mit aller Macht am Horaz arbeite, und daß, wenn ich heute stürbe, man genug Material vorfinden würde, um meine horazischen Hauptgedanken und Entdeckungen nicht zu verfehlen.

Gatti trägt mir auf, Ihnen stets seine Empfehlungen auszurichten. Er langweilt sich hier ebensosehr als ich: er mit Nichtstun und ich mit Nichtigkeiten; aber diese Nichtigkeiten sind ekelhafte Nichtigkeiten, und sein Nichtstun ist köstlich. Daher ist es beinah ein Unrecht von ihm, sich zu langweilen.

Sie sehen, wie sehr ich mich abquäle, um meinen Brief zu füllen, ohne daß es mir gelingen will. Mein verarmter Geist liefert mir keine Gedanken mehr. Die Gefühle der Dankbarkeit für Ihre Freundschaft sind Ihnen so bekannt, daß Sie beim Lesen dieses Briefes gähnen würden, wenn ich schwerfällig dabei verweilen wollte. Haben Sie mich also lieb, geben Sie mir gute Nachrichten über Mama, und leben Sie wohl.


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