Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[121] An Frau von Belsunce

Neapel, den 15. Mai 1773

Es genügt nicht, Galgenvogel zu sein, man muß auch höflich sein – das wissen Sie, Madame. Hieraus ergibt sich unmittelbar, daß es nicht genügt, mir Briefe zu schreiben, sondern daß es auch angenehme Briefe sein müssen, um zu hübschen Antworten anzuregen. In Ihrem undatierten Brief ist alles sehr betrübend. Noch tiefer betrübend aber ist für mich der körperliche und seelische Zustand Ihrer leidenden, verlassenen Frau Mutter. Wenn sich damit überhaupt etwas vergleichen ließe, so wäre es der Kummer, den mir mein unglückseliger Handel mit dem Merlin verursacht. Sie haben viel Geist bewiesen, indem Sie mir nichts darüber sagten. Aber Ihre Mutter hat mir in ihrer Nachschrift die Nachricht als besonderen Leckerbissen serviert. Wie soll man daraufhin noch lustig sein?

Sie möchten, daß ich Ihnen die Geschichte von dem Blitz erzähle; aber ich weiß nicht, was davon zu erzählen wäre: Er schlug mitten in eine neapolitanische Conversazione ein, um zu beweisen, daß der neapolitanische Stumpfsinn selbst über Blitz und Donner erhaben ist. Niemandem ist etwas zuleide geschehen. Es steht fest, daß der Blitz unter den Röcken einer galanten Dame durchfuhr, die auf einem Sofa saß. Er hat das Gold mit fortgerissen, aber er verschonte, was unter den Röcken der Dame war; so getreulich beschützt der Himmel die Galanterie, wenn sie recht frech ist. Sie ist dann dasselbe wie die Gerechtigkeit; denn die Gerechtigkeit besteht darin, jedem das Seine zu geben, suum unicuique tribuere.

Der Chevalier Hamilton parodiert hier den Blitz; mit einer sehr schönen Elektrizitätsmaschine; aber es kommt ungefähr darauf hinaus, wie wenn er auf einem Puppentheater den Tancred aufführte. Er glaubt an den Leitungsdraht, er erklärt ihn, er entwaffnet Jupiter. Alles das wäre recht schön und gut, wenn man nicht, ebensogut wie am Blitzschlag selbst, auch von den Steinen sterben könnte, die er losreißt, oder an dem Gestank ersticken könnte, den er verbreitet. Ich für meine Person habe Respekt vor dem Gewitter; ich fürchte die Götter, die es uns senden, und halte sie darum nicht für liebenswürdiger. Übrigens ist das Gewitter nicht das, was ich am meisten auf der Welt fürchte, und die Merlinsche Angelegenheit ist mir noch ärgerlicher als der Blitz.

Damit Ihre Schrift mir keinen Schreck verursacht, müßten Sie mir bisweilen schreiben, wenn Ihre Mutter sich wohl befindet; sonst werden Ihre Briefe mir immer als Unglücksboten erscheinen.

Der Chevalier de Chastellux amüsiert sich hier so gut, daß er sich hat überreden lassen, noch vierzehn Tage zu bleiben. Er bewundert, er lobt, er ist höflich, er benimmt sich sehr gut. Aber er kann machen was er will, er wird niemals einen Neapolitaner kennen; und niemals wird ihn einer kennen. Der Schlaf ist zu tief...


 << zurück weiter >>